Wie rede Ich über Drogen?

Für Erwachsene und Eltern

Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus dem Buch „High Sein – Ein Aufklärungsbuch“ von Jörg Böckem und Henrik Jungaberle. „High Sein“ ist ein Buch, welches nicht bevormunden, sondern informieren will.

Wie rede Ich über Drogen?

Für Erwachsene und Eltern

Dieser Blogeintrag ist ein Auszug aus dem Buch „High Sein – Ein Aufklärungsbuch“ von Jörg Böckem und Henrik Jungaberle. „High Sein“ ist ein Buch, welches nicht bevormunden, sondern informieren will.

Überblick: Dieser Blogeintrag ist der zweite Teil, welcher sich mit dem Thema Umgangsregeln befasst. Er richtet sich spezifisch an Erwachsene und Eltern, die nicht wissen, wie sie mit ihren Kindern über Alkohol und andere Drogen reden können. Der erste Teil richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die nicht wissen, wie sie mit ihren Eltern über Alkohol und andere Drogen sprechen können.

Nicht über das Thema Alkohol und andere Drogen zu reden ist keine Lösung und hilft niemandem. Wie kann also ein angemessener Umgang mit dem Thema Drogen und Rausch aussehen? Einer, der nicht gedankenlos und verharmlosend ist, aber ebenfalls nicht von Bevormundung, Entmündigung und Kontrollexzessen geprägt ist?

Eltern möchten, dass es ihren Kindern gut geht. Das gilt in aller Regel auch für Eltern, die selbst suchtkrank sind. Kinder und Jugendliche dagegen möchten etwas erleben, eigene Erfahrungen machen, oft eben auch intensive oder extreme, sie möchten Spaß haben und sich ausprobieren, in die Welt hineinwachsen. Eltern sorgen sich. Jugendliche sind risikobereit. Aber manchmal ist es auch umgekehrt. In beiden Fällen hat unsere Kultur leider einen chronisch verkrampften Umgang mit Rausch und Rauschmitteln.

Unsere Empfehlung lautet wenig überraschend: Redet miteinander! Hört zu, äußert eure Ängste und Bedürfnisse und erkennt die des anderen an. Stellt gemeinsam Regeln auf. Haltet sie ein. Und seid euch bewusst, dass es immer Konflikte geben wird, wenn die Bedürfnisse und Sorgen des anderen – oder auch die Gesetze – nicht ernst genommen und ignoriert werden.

Vertrauen – die unverzichtbare Grundlage

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Sohn oder Ihre Tochter zu früh oder zu viel Alkohol trinkt oder andere Drogen nimmt oder sogar ein Suchtproblem hat, sollten Sie mit ihm oder ihr reden. Wichtig ist dabei, schon vorher eine vertrauensvolle Basis für ein Gespräch zu schaffen. Verdächtigungen sind ebenso kontraproduktiv wie moralische Vorwürfe oder entwertende Kritik. Gespräche sind nur auf Augenhöhe zielführend. Zeigen Sie, dass Sie Vertrauen in Ihren Sohn oder Ihre Tochter haben (oder dieses Vertrauen wiedergewinnen möchten) und dass Ihr Kind Ihnen vertrauen kann. Hören Sie zu, nehmen Sie die Argumente Ihres Kindes ernst und versuchen Sie, dessen Gründe für den Substanzkonsum zu begreifen. Vorschnelle Verdächtigungen oder Kritik transportieren oft auch Botschaften wie »Du bist nicht okay« oder »Dir kann ich nicht vertrauen« oder »Du hast keine Ahnung, ich weiß besser, was gut für dich ist«. Auch heimliches Durchsuchen des Zimmers drückt vor allem Misstrauen aus. Das schafft keine gute Basis für vertrauensvolle Gespräche, egal ob sich Ihre Sorgen als unbegründet herausstellen sollten oder nicht. Und – möglichst keine Aussprache in emotional aufgeladenen Konfliktsituationen suchen, sondern versuchen, eine besonnene, gute Atmosphäre zu schaffen, bevor Sie in die Auseinandersetzung einsteigen.

Informiert über Drogen sprechen

Gerade zum Thema Alkohol und Drogen gibt es sehr viel Un- oder Halbwissen. Macht Cannabis abhängig? Ist man sofort süchtig, wenn man einmal Kokain oder Crystal probiert? Ist es wirklich gesund, täglich ein Glas Wein zu trinken? Ist Alkohol harmloser als Cannabis? Um mit Jugendlichen auf Augenhöhe über deren Konsum und Drogen allgemein reden zu können, ist es wichtig, selbst informiert zu sein. Jugendliche merken schnell, wenn ihr Gegenüber weniger weiß als sie selbst. Natürlich können Sie kaum über alle Drogen informiert sein; es gibt niemanden, der das ist. Müssen Sie aber auch nicht. Suchen Sie, vielleicht sogar gemeinsam mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn, nach brauchbaren Informationen. Jemanden zu kennen, der Alkoholiker ist oder eine Heroinabhängigkeit hinter sich hat, ist für erfolgreiche Gespräche über den Drogenkonsum Ihrer Kinder nicht zwangsläufig nützlich. Denn die Erfahrungen aus Ihrem Bekanntenkreis lassen sich nicht zwingend auf das Erleben Ihrer Kinder übertragen.

Folgende Grundaussagen des britischen Drogenexperten David Nutt, ursprünglich als Hinweise an junge Menschen gedacht, sind ein guter Ausgangspunkt für Gespräche zwischen Eltern und ihren Kindern:

  • Alkohol und Tabak sind Drogen, es gibt keinen sicheren Konsum.
  • Alle Drogen haben angenehme Effekte. Deshalb unterschätzt man oft die Risiken.
  • Fang niemals an, Drogen zu spritzen, denn das ist die gefährlichste Art des Konsums überhaupt.
  • Halte dich auch von Lösungsmitteln fern. Inhalieren tötet jede Woche einen Menschen.
  • Trink niemals Alkohol, wenn du andere Drogen konsumierst. Dabei können neue Substanzen im Körper entstehen, die noch viel schädlicher sind.
  • Selbst wenn wir mit der Kriminalisierung von Drogen nicht einverstanden sind: Ein Eintrag im Strafregister kann dein Leben ruinieren.
  • Finde zuverlässige Quellen für Informationen.
  • Wer Drogen verteufelt, lügt – genauso wie jeder lügt, der Drogen glorifiziert oder verharmlost.
  • Wann immer du Drogen nimmst, sei dir im Klaren darüber, warum. Das gilt auch für Alkohol und Zigaretten.
  • Wenn du Probleme mit Drogen bekommst, hol dir so schnell wie möglich Hilfe. Auch bei uns Eltern. Wir bestrafen dich nicht, sondern sind für dich da.
  • Wenn du mit Drogen experimentierst: Sorge dafür, dass deine Abenteuer keine Folgen für die Schule haben. Nimm niemals Drogen mit dorthin und konsumiere auch keine auf dem Schulgelände. Deine Experimente sollten auch nicht verhindern, dass du deine Hausaufgaben machst oder nüchtern am Unterricht teilnimmst.

Interesse am anderen zeigen!

Jugendliche streben nach Unabhängigkeit von den Eltern. Das ist grundsätzlich gut und wichtig. Häufig wirken sie dabei verschlossen und blocken neugierige Fragen der Eltern ab. Aber auch wenn sie nicht den Eindruck erwecken, ist es dennoch wichtig für sie, dass man Interesse an ihrem Leben zeigt: Mit wem trifft er oder sie sich? Wie verbringen sie ihre Zeit? Wenn Grenzen überschritten werden, ist es wichtig, nicht darüber hinwegzusehen. Auch mit der vielleicht unangenehmen und unerwünschten Konfrontation bei Fehlverhalten signalisieren Sie: »Ich interessiere mich für dich!« oder auch »Ich mache mir Sorgen um dich«. Vorwürfe und Vorhaltungen allerdings treiben den anderen eher in die Defensive und tragen meist nicht zu einer Lösung bei. Jugendliche haben jedes Recht darauf, respektvoll behandelt zu werden.

Provokationen

Beim Streben nach Unabhängigkeit gehört es für junge Erwachsene häufig dazu, Autoritäten (und ganz besonders die Eltern) herauszufordern und zu provozieren. Das hat einerseits die Funktion, Grenzen auszutesten, andererseits ist es auch ein Zeichen von Identitätssuche durch Abgrenzung von den Erwartungen und Überzeugungen der Eltern. Letztlich erleichtern Jugendliche ihren Eltern so auch das Loslassen: Wenn Sie gelegentlich vor Ihren unzugänglichen und schwierigen Kindern kapitulieren, kann das manchmal durchaus etwas Gutes haben. Mitunter wird so der in dieser Altersphase anstehende Ablöseprozess erleichtert. Mit Desinteresse sollte das allerdings nicht verwechselt werden: Auch, wenn pubertierende Jugendliche häufig verschlossen wirken, so brauchen sie dennoch die Gewissheit, dass sie jederzeit um Hilfe bitten können.

Vorbild sein

Wie Jugendliche mit Alkohol und anderen Drogen umgehen, hängt auch davon ab, wie im Elternhaus damit umgegangen wird. Nicht nur, aber auch. Und dazu gehört auch der Umgang mit Medikamenten und Drogen, angefangen bei der Kopfschmerztablette über Beruhigungsmittel bis hin zu Alkohol und Zigaretten. Wer sich selbst nicht erlaubt, krank, erschöpft oder überfordert zu sein und jede Störung mit Medikamenten bekämpft, um möglichst belastbar und funktionstüchtig im Beruf und Alltag zu sein, sollte darüber nachdenken, welches Beispiel für den Umgang mit eigenen Schwächen, aber eben auch mit Substanzen er abgibt.

Das bedeutet nicht, dass Jugendliche das Verhalten der Eltern grundsätzlich imitieren. Das ist nur ein mögliches Muster. Auch das Gegenteil ist möglich: Wenn Sie selbst gar keinen Alkohol trinken oder verantwortlich damit umgehen, kann es zur jugendtypischen Ablösung vom Elternhaus gehören, genau das Gegenteil von dem zu tun, was Sie vorleben. Dennoch bleiben Sie als Erwachsene mit Ihrem eigenen Verhalten immer auch zu einem großen Teil Vorbild für Jugendliche. Deshalb ist es wichtig, auch seinen eigenen Umgang mit Substanzen zu überprüfen – wenn Sie selbst starker Raucher sind, ohne zwei Feierabendbier nicht ins Bett finden oder sich bei jedem Fest betrinken, sollten Sie das zumindest offen ansprechen, wenn Sie mit Ihrer Tochter oder Ihrem Sohn über deren Cannabis- oder Ecstasy-Konsum reden wollen.

Das gilt natürlich in besonderem Maße, wenn Sie selbst ein Suchtproblem haben. Dann sind Ihre Kinder tatsächlich gefährdeter als andere. Reden Sie mit Ihren Kindern darüber. Zeigen Sie Ihre Schwächen, dann fällt es den Jugendlichen leichter, Sie zu verstehen. Und verschanzen Sie sich nicht im Käfig Ihrer Kleinfamilie. Ziehen Sie andere Erwachsene oder professionelle Berater dazu, wenn es nicht so läuft, wie Sie es sich wünschen. Oder wenn Ihre Kinder offenkundig unter Ihrer Sucht leiden.

 

Erwischt

Geduld, Klarheit und Vertrauen sind wichtig. Wir alle lernen manchmal, indem wir wiederholt gegen Mauern rennen. Wenn Ihr Sohn oder Ihre Tochter Grenzen überschritten oder Regeln nicht eingehalten hat, zum Beispiel in der Schule oder zu Hause kifft, obwohl Sie es anders vereinbart haben, seien Sie konsequent, aber nicht drakonisch. Ihr Gegenüber sollte spüren, wenn Sie enttäuscht sind oder sich nicht ernst genommen fühlen. Zum Beispiel ist einigen Jugendlichen tatsächlich geholfen, wenn sie die Schule wechseln können – ein Schulverweis dagegen nützt ihnen in aller Regel nicht. Sagen Sie Ihren Kindern, wenn Sie das Vertrauen verlieren oder verloren haben. Holen Sie sich Unterstützung, auch professionelle. Sie müssen und sollten solche Probleme nicht verheimlichen – Substanzkonsum in der Familie ist keine Schande, kein Resultat elterlichen Versagens und verbreiteter, als Sie denken. Setzen Sie auf Offenheit und aktive Problemlösung. Schweigen ist keine Lösung.