Förderung der Selbstregulationskompetenzen in der Schule
Eine Leitperspektive für das deutsche Bildungssystem
inBildung, Forschung, Gesundheit, Prävention14. September 2024
Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat in einer aktuellen Stellungnahme empfohlen, die Förderung von Selbstregulationskompetenzen zu einer zentralen Leitperspektive des deutschen Bildungssystems zu machen. Dabei kommt den Schulen eine Schlüsselrolle zu. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe dieser Empfehlung und erläutert, wie Schulen zur Förderung von Selbstregulationskompetenzen beitragen können.
Selbstregulationskompetenzen umfassen die Fähigkeiten eines Menschen, das eigene Denken, Fühlen und Handeln bewusst zu steuern und an bestimmte Ziele oder Situationen anzupassen (Karoly, 1993, zitiert nach Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, 2024). Es handelt sich um ein komplexes Bündel verschiedener Teilkompetenzen:
Hierzu gehören die sogenannten exekutiven Funktionen, die grundlegend für zielgerichtetes Verhalten sind (Diamond, 2013, zitiert nach Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, 2024):
Dazu kommen metakognitive Fähigkeiten – also das Nachdenken über die eigenen Denkprozesse. Dies umfasst zum Beispiel das Wissen über effektive Lernstrategien und die Fähigkeit, den eigenen Lernprozess zu planen, zu überwachen und zu bewerten.
Die Bedeutung gut ausgeprägter Selbstregulationskompetenzen lässt sich kaum überschätzen. Sie sind entscheidend für verschiedene Lebensbereiche:
Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Selbstregulationskompetenzen ein wichtiger Prädiktor für schulischen und später beruflichen Erfolg sind. Schülerinnen und Schüler mit guten Selbstregulationsfähigkeiten können sich besser konzentrieren, ihre Hausaufgaben effektiver planen und durchführen, und sich besser auf Prüfungen vorbereiten. Im Berufsleben helfen diese Kompetenzen bei der Bewältigung komplexer Aufgaben, beim Zeitmanagement und bei der Zusammenarbeit im Team.
Gute Selbstregulationsfähigkeiten sind mit besserer psychischer Gesundheit verbunden. Menschen mit ausgeprägten Selbstregulationskompetenzen können besser mit Stress umgehen, sind weniger anfällig für Depressionen und Angststörungen und haben ein höheres Selbstwertgefühl. Auch für die körperliche Gesundheit sind diese Kompetenzen wichtig: Sie helfen dabei, gesunde Verhaltensweisen (wie regelmäßige Bewegung und ausgewogene Ernährung) aufrechtzuerhalten und ungesunde Verhaltensweisen (wie Rauchen oder übermäßigen Alkoholkonsum) zu vermeiden.
Selbstregulationskompetenzen sind grundlegend für erfolgreiche soziale Interaktionen. Sie helfen dabei, eigene Bedürfnisse und die anderer zu berücksichtigen, Konflikte konstruktiv zu lösen und langfristige Beziehungen aufzubauen. Auf gesellschaftlicher Ebene tragen sie zu einer aktiven Teilhabe bei, indem sie es Menschen ermöglichen, sich für langfristige Ziele zu engagieren und verantwortungsvoll zu handeln.
Die Leopoldina-Stellungnahme weist darauf hin, dass das Wohlergehen und die Entfaltungsmöglichkeiten vieler Kinder und Jugendlicher in Deutschland beeinträchtigt sind. Einige zentrale Befunde:
Diese Herausforderungen unterstreichen die Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche in der Entwicklung ihrer Selbstregulationskompetenzen zu unterstützen.
Die Leopoldina empfiehlt verschiedene Ansätze zur Förderung von Selbstregulationskompetenzen in Schulen:
Lehrkräfte sollten Selbstregulation systematisch in ihren Unterricht einbeziehen. Dies kann durch drei zentrale Dimensionen der Unterrichtsqualität geschehen:
Konkret könnte dies bedeuten:
Ergänzend zum regulären Unterricht können gezielte Programme zur Förderung von Selbstregulationskompetenzen eingesetzt werden. Die Leopoldina-Stellungnahme nennt verschiedene evidenzbasierte Ansätze:
Die Förderung von Selbstregulationskompetenzen sollte als Leitbild in Schulkonzepte integriert werden. Dies bedeutet:
Die Aus-, Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften sollte Selbstregulation als Schwerpunkt aufnehmen. Lehrkräfte benötigen:
Die Leopoldina empfiehlt auch, die Chancen digitaler Medien für die Förderung von Selbstregulation zu nutzen. Dies könnte beinhalten:
Für eine erfolgreiche Umsetzung dieser Empfehlungen sind laut Leopoldina mehrere Schritte notwendig:
Es sollten zuverlässige Indikatoren für Selbstregulationskompetenzen entwickelt werden. Diese könnten verschiedene Aspekte umfassen:
Diese Indikatoren sollten in das bundesweite Bildungsmonitoring aufgenommen werden. Dies würde erlauben, die Entwicklung von Selbstregulationskompetenzen auf Systemebene zu verfolgen und den Erfolg von Fördermaßnahmen zu evaluieren.
Die Leopoldina empfiehlt die Einrichtung von Forschungsprogrammen zur Entwicklung und Evaluation wirksamer Förderstrategien. Dabei sollten Wissenschaft und Praxis eng zusammenarbeiten.
Die Einführung sollte schrittweise erfolgen, beginnend mit Pilotprojekten, deren Erfahrungen dann für eine breitere Umsetzung genutzt werden können.
Die systematische Förderung von Selbstregulationskompetenzen in Schulen kann einen wichtigen Beitrag zur positiven Entwicklung von Kindern und Jugendlichen leisten. Sie hat das Potenzial, nicht nur den schulischen Erfolg zu verbessern, sondern auch die psychische und physische Gesundheit zu stärken und die Grundlagen für ein erfülltes und verantwortungsvolles Leben zu legen.
Die Umsetzung der Leopoldina-Empfehlungen erfordert ein koordiniertes Vorgehen aller Beteiligten im Bildungssystem – von der Bildungspolitik über die Schulverwaltung bis hin zu den einzelnen Lehrkräften.
Sie stellt eine Herausforderung dar, bietet aber auch die Chance, das deutsche Bildungssystem nachhaltig zu verbessern und Kinder und Jugendliche besser auf die Anforderungen einer komplexen Welt vorzubereiten.
Schools That Care (STC) ist eine Methode, die Schulen dabei unterstützt, ihre Präventionsarbeit zielgerichtet und effektiv zu gestalten. Sie kann Schulen auch bei der Umsetzung der Leopoldina-Empfehlungen zur Förderung von Selbstregulationskompetenzen helfen:
Durch diese Aspekte kann Schools That Care Schulen dabei unterstützen, die Empfehlungen der Leopoldina zur Förderung von Selbstregulationskompetenzen systematisch und nachhaltig umzusetzen. Der Ansatz wird derzeit von uns im Rahmen des Projekts „Weitblick“ in Zusammenarbeit mit dem Verband der Privaten Krankenversicherung und der Medizinischen Hochschule Hannover weiterentwickelt und evaluiert.
Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2024). Förderung der Selbstregulationskompetenzen von Kindern und Jugendlichen in Kindertageseinrichtungen und Schulen. Halle (Saale). https://doi.org/10.26164/leopoldina_03_01157