GEMEINNÜTZIGKEIT | TRANSPARENZ | SELBSTBESTIMMUNG | KO-KREATION | VIELFALT | WISSENSCHAFTLICHKEIT
Schülerpartizipation ist ein entscheidender Baustein für die Entwicklung von Demokratieverständnis und Eigenverantwortung in der Schule. Eine aktive und lebendige Schülervertretung (SV) stärkt das Schulklima und fördert das Gemeinschaftsgefühl. Wie dies erfolgreich gelingt, zeigen die Erfahrungen des Eichsfeld Gymnasiums in Duderstadt. In unserem Gespräch teilen zwei Beratungslehrkräfte ihre Erkenntnisse und Empfehlungen zur Förderung der Schülerpartizipation.
Die Rolle der SV-Beratungslehrkräfte: Unterstützung auf Augenhöhe
Sehr geehrte Frau Arand, sehr geehrter Herr Senft,
im Rahmen von Schools That Care, unserem gemeinsamen Projekt zur Entwicklung einer wirkungsvollen schulischen Präventionsstrategie, haben wir mit Freude beobachtet, dass die Schülerinnen und Schüler des Eichsfeld Gymnasiums nicht nur zahlreich an den Workshops teilnehmen, sondern sich auch aktiv mit eigenen Ideen einbringen. Dieses außergewöhnliche Engagement verdeutlicht, dass Ihre Schülerschaft sowohl die Motivation als auch die Fähigkeit besitzt, das Schulleben konstruktiv mitzugestalten.
Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, um Ihre Erfahrungen und Ansätze zur Schülerpartizipation am Eichsfeld Gymnasium mit uns zu teilen. Erzählen Sie uns doch zunächst, welche Rolle Sie als Beratungslehrkräfte in der Schülervertretung einnehmen.
Kathleen Arand: Vielen Dank für die Einladung! Unsere Rolle als SV-Beratungsteam am Eichsfeld Gymnasium unterscheidet sich von der reinen Beratungslehrerfunktion. Wir wurden direkt von den Schülerinnen und Schülern angesprochen, ob wir diese Rolle übernehmen möchten, das wurde nicht vorgeschrieben. Wir unterstützen die Schülervertretung organisatorisch und sind Bindeglied zwischen Schülerschaft und Kollegium.
Peter Senft: Da wir nicht für private Anliegen der Schüler verantwortlich sind, können wir uns rein auf die SV-Arbeit konzentrieren und auf Augenhöhe agieren. Das hilft uns, die Schüler stärker zu motivieren und sie in ihrer Selbstständigkeit zu fördern. Wir stehen ihnen beratend zur Seite, sind bei den SV-Sitzungen anwesend und helfen ihnen, Entscheidungen zu treffen – ohne dabei ihre Eigeninitiative einzuschränken.
Struktur und Transparenz durch eine Geschäftsordnung
Das klingt nach einer sehr unterstützenden Rolle. Welche Entwicklungen hat die Schülerbeteiligung in den letzten Jahren durchlaufen? Gab es besondere Meilensteine?
Kathleen Arand: In den vergangenen zehn Jahren haben wir eine klare Struktur für die Schülervertretung geschaffen. Ein wichtiger Schritt war die Einführung einer Geschäftsordnung vor etwa drei Jahren. Diese gibt der SV und dem Schülerrat einen formellen Rahmen, der Transparenz und Klarheit schafft. Die Geschäftsordnung definiert genau, wie Entscheidungen getroffen und Sitzungen organisiert werden. Dadurch können die Schüler ihre Rolle besser verstehen und leichter Verantwortung übernehmen.
Peter Senft: Die Geschäftsordnung ist tatsächlich ein Meilenstein für uns. Seitdem wir sie etabliert haben, ist die Beteiligung in der SV merklich gestiegen. Die Schüler wissen, woran sie sind, und haben klare Strukturen, die ihnen Sicherheit geben. Außerdem haben wir Videos entwickelt, die beispielsweise die Unterschiede zwischen Schülerrat und Schülervertretung erklären. Diese Videos zeigen wir zu Beginn des Schuljahres in jeder Klasse und helfen dabei, Missverständnisse zu vermeiden.
Partizipation durch visuelle Unterstützung: Die Kraft der Erklärungsvideos
Sie betonen, dass die Videos einen großen Nutzen haben. Können Sie genauer erläutern, wie diese Videos produziert wurden und wie sie im Schulalltag eingebunden sind?
Peter Senft: Die Videos waren ein echter Gamechanger für uns. Wir haben kurze Clips entwickelt, die den Unterschied zwischen Schülervertretung und Schülerrat erklären und die Aufgaben der Klassensprecher verdeutlichen. Diese Videos werden zu Beginn des Schuljahres in jeder Klasse gezeigt und schaffen Klarheit über die Rollen und Abläufe. So verhindern wir Missverständnisse, die oft durch unterschiedliche Interpretationen bei Schülern und Lehrkräften entstehen.
Kathleen Arand: Besonders stolz sind wir darauf, dass die Schüler die Videos selbst gedreht und geschnitten haben. Sie übernehmen damit Verantwortung und lernen gleichzeitig technische und organisatorische Fähigkeiten. Diese Eigenproduktion schafft Identifikation und sorgt dafür, dass die Informationen auf Augenhöhe vermittelt werden. Zudem können wir mit den Videos nun jährlich die wichtigsten Grundlagen erklären, ohne dass wir sie immer wieder neu formulieren müssen.
Stufe | Kategorie |
---|---|
Selbstorganisation | über Partizipation hinaus |
Entscheidungsmacht | Partizipation |
Teilweise Entscheidungskompetenz | |
Mitbestimmung | |
Einbeziehung | Vorstufen der Partizipation |
Anhörung | |
Information | |
Anweisung | Nicht-Partizipation |
Instrumentalisierung |
Motivation durch kleine Erfolge und Eigenverantwortung
Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach entscheidend, um Schüler aktiv in die Gestaltung der Schule einzubinden?
Kathleen Arand: Ein zentraler Erfolgsfaktor ist ein klarer Rahmen und eine positive Haltung der Schule zur Partizipation. Die Schulleitung und das Kollegium unterstützen uns sehr, und das zeigt den Schülern, dass ihre Meinungen ernst genommen werden. Wichtig ist auch, dass wir als SV-Lehrkräfte regelmäßig ansprechbar sind und die Schüler selbst entscheiden lassen, wie sie Projekte umsetzen möchten. Das stärkt ihre Eigenverantwortung und das Gemeinschaftsgefühl.
Peter Senft: Neben einem strukturierten Rahmen ist die Motivation durch kleine Erfolgserlebnisse wichtig. Wir planen regelmäßig Projekte, die mit einem überschaubaren Aufwand umgesetzt werden können. Aktionen wie der Nikolausverkauf oder der Weihnachtspäckchen-Konvoi bieten Gelegenheit, sich als Gruppe zu bewähren und Zusammengehörigkeit zu erleben. So sehen die Schüler, dass ihr Engagement sichtbare Ergebnisse bringt.
Empfehlungen für Schulen zur Förderung einer aktiven Schülervertretung
Gibt es Empfehlungen, die Sie anderen Schulen mit auf den Weg geben können, die ebenfalls eine aktive Schülervertretung fördern möchten?
Peter Senft: Ja, auf jeden Fall. Unsere Erfahrung zeigt, dass sich kleine, einfach umsetzbare Projekte eignen, um Schüler für die SV zu begeistern. Diese ersten Projekte sollten am besten zu einem Zeitpunkt im Jahr stattfinden, an dem Schüler weniger gestresst sind, wie etwa nach dem Notenschluss vor den Sommerferien. Das gibt ihnen Raum, sich ganz auf die SV-Arbeit einzulassen.
Kathleen Arand: Ein weiterer Tipp wäre, eine sogenannte „Mini-SV“ für die jüngeren Jahrgänge einzurichten. Wir haben damit in den fünften und sechsten Klassen angefangen. Die Schüler leiten die Mini-SV selbst, und das gibt ihnen von Anfang an Verantwortung und fördert die Eigeninitiative. Dadurch haben wir jetzt bereits engagierte Mitglieder aus den unteren Klassen, die später nahtlos in die SV-Arbeit der höheren Jahrgänge hineinwachsen.
Einbindung des Kollegiums für eine starke Schulgemeinschaft
Zum Abschluss – haben Sie Tipps, wie das Kollegium besser in den Partizipationsprozess eingebunden werden kann?
Kathleen Arand: Eine offene Kommunikation und regelmäßige Updates sind sehr wichtig. Zu Beginn des Schuljahres weisen wir auf die Bedeutung der SV und der Klassensprecherwahlen hin. Außerdem informieren wir das Kollegium rechtzeitig über Termine der SV-Sitzungen, damit die Lehrkräfte sich darauf einstellen können. Bei uns hat es sich etabliert, dass Schülerratssitzungen fest im Klassenarbeitsplan blockiert sind, sodass die Schüler daran teilnehmen können.
Peter Senft: Genau, und es hilft auch, engagierte Schüler direkt anzusprechen und zu ermutigen, sich einzubringen. Gerade nach dem Wechsel von Schülergenerationen ist es oft notwendig, neue Mitglieder für die SV zu gewinnen, die das Team weiterführen. So bleiben die Strukturen langfristig erhalten.
Herzlichen Dank für diese Einblicke! Es ist beeindruckend zu sehen, wie das Eichsfeld Gymnasium Schülerpartizipation strukturiert und unterstützt. Wir hoffen, dass Ihre Empfehlungen auch anderen Schulen helfen werden.