Netzwerkanalyse
als Schlüssel zur erfolgreichen Umsetzung von Präventionsprogrammen
inForschung, Prävention23. Juli 2022
Die erfolgreiche Implementierung von evidenzbasierten Programmen in der Prävention und Gesundheitsförderung stellt Fachkräfte oft vor große Herausforderungen. Eine vielversprechende Lösung bietet die Anwendung von sozialer Netzwerkanalyse (SNA) in allen Phasen der Programmimplementierung. In einem im Jahr 2015 im Journal PLOS ONE veröffentlichten Artikel stellen Valente et al. dar, wie SNA genutzt werden kann, um die Effektivität und Nachhaltigkeit von Präventionsprogrammen deutlich zu verbessern.
Soziale Netzwerkanalyse untersucht, wie Menschen oder Gruppen miteinander verbunden sind. Sie betrachtet diese Verbindungen als Netzwerke und nutzt besondere Methoden, um diese zu verstehen und sichtbar zu machen. In der Gesundheitsförderung hilft SNA zu verstehen, wie sich Informationen und Verhaltensweisen in einer Gemeinschaft verbreiten und wie soziale Strukturen das Gesundheitsverhalten beeinflussen.
In dieser Phase empfehlen die Autoren, SNA zu nutzen, um:
Die Autoren schlagen vor, Netzwerkfragen zu stellen wie „Wer kann die Gemeinschaft zu einem gesünderen Lebensstil motivieren?“. Sie betonen, wie wichtig es ist, die richtigen Grenzen für das Netzwerk zu wählen und empfehlen bei Bedarf einen Schneeballansatz zur Netzwerkerhebung. Das bedeutet, man beginnt mit einigen Personen und fragt diese nach weiteren wichtigen Kontakten.
In dieser Phase kann SNA genutzt werden, um:
Die Autoren verweisen auf zahlreiche Studien, die die Wirksamkeit von Meinungsführer-Interventionen belegen, besonders im Gesundheitswesen. Sie betonen jedoch, dass die Auswahl der spezifischen Netzwerkinterventionsstrategie von verschiedenen Faktoren abhängt, einschließlich des Zielverhaltens, der Merkmale der Zielgruppe und des Umsetzungskontexts.
Während der Durchführung empfehlen die Autoren die Anwendung von „Netzwerkdiagnostik“. Dabei werden kontinuierlich Netzwerkdaten erhoben und analysiert, um den Umsetzungsprozess zu optimieren. Basierend auf der Studie von Gesell et al. (2013) schlagen sie folgende Richtwerte für Netzwerkmetriken vor:
In dieser Phase kann SNA genutzt werden, um:
Die Autoren betonen die Bedeutung der kontinuierlichen Netzwerküberwachung, um sicherzustellen, dass das Programm weiterhin relevant und effektiv bleibt.
Implementierungsphase | SNA-Methoden | Wichtige Metriken | Ziele |
---|---|---|---|
1. Exploration (Bedarfsanalyse) | – Netzwerkkartierung – Identifikation von Schlüsselakteuren |
– Netzwerkdichte – Zentralität – Gruppenzugehörigkeit |
– Verständnis der Gemeinschaftsstruktur – Identifikation von Meinungsführern – Erkennen von isolierten Gruppen |
2. Adoption (Programmdesign) | – Auswahl von Meinungsführern – Netzwerkinterventionsstrategien |
– In-Degree (Anzahl eingehender Verbindungen) – Brückenfunktionen – Netzwerksegmentierung |
– Optimale Auswahl von Programmvermittlern – Anpassung des Programms an Netzwerkstrukturen |
3. Implementation | – Netzwerkdiagnostik – Kontinuierliche Netzwerkanalyse |
– Veränderungen in Netzwerkdichte – Symmetrie von Beziehungen – Transitivität |
– Überwachung des Implementierungsprozesses – Identifikation von Optimierungspotentialen |
4. Aufrechterhaltung und Monitoring | – Langzeit-Netzwerkanalyse – Analyse von Diffusionsprozessen |
– Stabilität zentraler Akteure – Netzwerkdynamik – Contagion-Effekte |
– Sicherstellung nachhaltiger Programmeffekte – Erkennen von Programmermüdung |
Diese Tabelle veranschaulicht, wie sich der Fokus und die Ziele der Netzwerkanalyse im Laufe des Implementierungsprozesses verändern und welche spezifischen Methoden und Metriken in jeder Phase relevant sind.
Die Erkenntnisse des Artikels haben weitreichende Implikationen für die Praxis der Prävention und Gesundheitsförderung:
Fragenkatalog für einen Workshop zur Rekrutierung von Schulen zur Implementierung eines Präventionsprogramms
Basierend auf dem Artikel von Valente et al. (2015) über soziale Netzwerkanalyse für Programmimplementierung, haben wir einen Fragenkatalog für einen Workshop zur Rekrutierung von Schulen für die Implementierung von Präventionsprogrammen erstellt:
Dieser Fragenkatalog soll die Teilnehmer des Workshops dazu anregen, die Prinzipien der sozialen Netzwerkanalyse auf den spezifischen Kontext der Schulrekrutierung anzuwenden und dabei die verschiedenen Phasen der Programmimplementierung zu berücksichtigen.
Trotz des großen Potenzials von SNA weisen die Autoren auch auf einige Herausforderungen hin:
Die Anwendung von sozialer Netzwerkanalyse bietet enormes Potenzial, um die Umsetzung und Wirksamkeit von Präventionsprogrammen zu verbessern. Der Artikel von Valente et al. (2015) liefert Fachkräften einen wertvollen Überblick und konkrete Ansatzpunkte, wie sie SNA in ihrer Arbeit nutzen können. Angesichts der Herausforderungen bei der nachhaltigen Umsetzung evidenzbasierter Programme sollten Fachkräfte in Prävention und Gesundheitsförderung die Netzwerkperspektive zukünftig stärker in ihre Arbeit einbeziehen.
Die Autoren betonen jedoch auch, dass weitere Forschung notwendig ist, um die optimale Anwendung von SNA in verschiedenen Kontexten zu bestimmen und um die langfristigen Auswirkungen netzwerkbasierter Interventionen zu evaluieren. Fachkräfte werden ermutigt, ihre Erfahrungen mit SNA zu dokumentieren und zu teilen, um zur Weiterentwicklung dieses vielversprechenden Ansatzes beizutragen.
Valente, T. W., Palinkas, L. A., Czaja, S., Chu, K. H., & Brown, C. H. (2015). Social network analysis for program implementation. PloS one, 10(6), e0131712.
Gesell, S. B., Barkin, S. L., & Valente, T. W. (2013). Social network diagnostics: a tool for monitoring group interventions. Implementation Science, 8(1), 116.
Palinkas, L. A., Holloway, I. W., Rice, E., Fuentes, D., Wu, Q., & Chamberlain, P. (2011). Social networks and implementation of evidence-based practices in public youth-serving systems: a mixed-methods study. Implementation Science, 6(1), 113.