Partizipation und Empowerment in Communities That Care
Erkenntnisse und Implikationen für die Prävention
inForschung, Prävention11. Juni 2024
Partizipation und Empowerment spielen eine zentrale Rolle in der modernen Präventionsarbeit. Dieser Artikel beleuchtet die Bedeutung von Beteiligung und Befähigung für erfolgreiche Prävention am Beispiel des Ansatzes „Communities That Care“ (CTC). Für Fachkräfte in der Prävention und Gesundheitsförderung bieten die Erkenntnisse wichtige Anregungen, wie Kommunen aktiv in Präventionsprogramme eingebunden werden können.
Communities That Care ist ein kommunaler Präventionsansatz, der in den 1990er Jahren von J. David Hawkins und Richard F. Catalano entwickelt wurde. CTC zielt darauf ab, gesundes Verhalten zu fördern und Problemverhalten bei Jugendlichen vorzubeugen. Der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass Risiko- und Schutzfaktoren die Entwicklung von Jugendlichen maßgeblich beeinflussen.
CTC zeichnet sich durch folgende Kernelemente aus:
Ein zentrales Merkmal von CTC ist die aktive Einbindung der gesamten Gemeinschaft in diesen Prozess.
Ein Kernelement von CTC ist der Aufbau einer breiten Community-Koalition, die verschiedene Stakeholder einbindet. Dabei wird die Bedeutung einer diversen Zusammensetzung des Community Boards betont, das Vertreter aus Bereichen wie Schulen, Jugendarbeit, Gesundheitswesen, Strafverfolgung und Zivilgesellschaft umfassen sollte. Durch die Einbindung unterschiedlicher Perspektiven kann ein umfassender Blick auf die Situation von Jugendlichen in der Kommune gewonnen werden. Gleichzeitig fördert die breite Beteiligung die Akzeptanz und nachhaltige Verankerung der Präventionsarbeit.
CTC setzt auf einen datenbasierten Ansatz, bei dem die Kommune aktiv in die Erhebung und Auswertung von Daten zur Situation der Jugendlichen einbezogen wird. Das Community Board spielt eine zentrale Rolle bei der Durchführung der CTC-Jugendbefragung sowie der Interpretation der Ergebnisse. Durch die gemeinsame Analyse können passgenaue Präventionsmaßnahmen entwickelt werden, die auf den spezifischen Bedarf und die Ressourcen vor Ort zugeschnitten sind.
CTC legt großen Wert auf klar definierte Rollen und Strukturen innerhalb des Prozesses. Es werden sechs spezifische Arbeitsgruppen vorgeschlagen, die unterschiedliche Aufgabenbereiche abdecken – von der Datenerhebung über die Ressourcenanalyse bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Diese klaren Strukturen ermöglichen es den beteiligten Akteuren, sich entsprechend ihrer Kompetenzen einzubringen und Verantwortung zu übernehmen. So wird das Empowerment der Gemeinschaft gefördert.
Um eine effektive Partizipation zu ermöglichen, sieht CTC kontinuierliche Schulungen und Unterstützungsangebote für die beteiligten Akteure vor. Es werden verschiedene Workshops durchgeführt, die im Laufe des CTC-Prozesses stattfinden. Diese vermitteln nicht nur Wissen über evidenzbasierte Prävention, sondern stärken auch die Fähigkeiten der Teilnehmenden zur Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung.
Die Umsetzung partizipativer Ansätze wie CTC bringt auch Herausforderungen mit sich, die es zu berücksichtigen gilt:
Für Präventionsfachkräfte ergeben sich aus diesen Erkenntnissen wichtige Implikationen für die Praxis:
Ein zentrales Element des CTC-Ansatzes ist die konsequente Nutzung von Daten zur Entscheidungsfindung und Steuerung des Präventionsprozesses. Dies stellt eine besondere Herausforderung, aber auch eine große Chance für die partizipative Arbeit dar.
Die CTC-Jugendbefragung ist ein standardisiertes Instrument, das speziell für den CTC-Prozess entwickelt wurde. Sie erfasst sowohl Risiko- und Schutzfaktoren als auch das Auftreten von Problemverhalten bei Jugendlichen. Die Besonderheit liegt darin, dass die Befragung nicht nur von Experten durchgeführt und ausgewertet wird, sondern die gesamte Gemeinschaft in diesen Prozess einbezogen wird.
Die gemeinsame Arbeit mit Daten bringt einige Herausforderungen mit sich:
Um diese Herausforderungen zu bewältigen und die Datennutzung zu einem wirklich partizipativen Prozess zu machen, können folgende Strategien hilfreich sein:
Präventionsfachkräfte nehmen in diesem Prozess eine wichtige Vermittlerrolle ein. Sie müssen in der Lage sein, komplexe Daten verständlich aufzubereiten und den Prozess der gemeinsamen Interpretation zu moderieren. Gleichzeitig ist es wichtig, dass sie die Expertise der lokalen Akteure wertschätzen und einbeziehen. Nur so kann aus den Daten ein wirklich gemeinschaftliches Verständnis der Situation entstehen, das die Grundlage für passgenaue Präventionsstrategien bildet.
Die langfristige Wirksamkeit des CTC-Ansatzes wurde in einer Folgestudie der Community Youth Development Study (CYDS) untersucht, die 4407 Teilnehmer über einen Zeitraum von 12 Jahren vom 5. Schuljahr bis zum Alter von 23 Jahren verfolgte (Kuklinski et al., 2021). Die Ergebnisse zeigen, dass CTC auch mehr als ein Jahrzehnt nach der Intervention nachhaltige positive Effekte auf gesundheitsriskantes Verhalten hat:
Diese Ergebnisse unterstreichen die langfristige Wirksamkeit und Kosteneffizienz des CTC-Ansatzes. Auch wenn die Effektstärken im jungen Erwachsenenalter als klein einzustufen sind, zeigen sie doch, dass die in der Mittelschule begonnene Präventionsarbeit die Teilnehmer auf gesündere Lebensbahnen gebracht hat, die bis ins Erwachsenenalter andauern (Hawkins et al., 2014; Oesterle et al., 2018).
Die intensive Arbeit mit Daten im CTC-Prozess ist mehr als nur eine technische Notwendigkeit. Sie kann, wenn sie partizipativ gestaltet wird, zu einem Katalysator für Gemeinschaftsprozesse werden. Indem verschiedene Akteure gemeinsam Daten interpretieren und diskutieren, entsteht ein tieferes Verständnis für die Situation der Jugendlichen in der Kommune. Dies fördert nicht nur die Entwicklung effektiver Präventionsstrategien, sondern stärkt auch den Zusammenhalt und das gemeinsame Verantwortungsgefühl in der Gemeinschaft.
Die Erkenntnisse zu CTC unterstreichen die zentrale Bedeutung von Partizipation und Empowerment für erfolgreiche Prävention. Durch die aktive Einbindung und Befähigung der Gemeinschaft können passgenaue und nachhaltige Präventionsstrategien entwickelt werden. Für Fachkräfte in der Prävention und Gesundheitsförderung ergeben sich daraus neue Rollen und Aufgaben. Sie sind gefordert, Prozesse zu initiieren und zu begleiten, die es Kommunen ermöglichen, selbst aktiv zu werden. Dies erfordert spezifische Kompetenzen in Bereichen wie Netzwerkarbeit, Moderation und Capacity Building.
Die Umsetzung partizipativer Ansätze wie CTC stellt Fachkräfte vor Herausforderungen, bietet aber auch große Chancen für eine wirkungsvolle und nachhaltige Präventionsarbeit. Indem Kommunen befähigt werden, selbst Verantwortung für die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Jugendlichen zu übernehmen, können langfristige positive Veränderungen angestoßen werden.
Die Ergebnisse der CYDS-Studie legen nahe, dass eine breitere Verbreitung von CTC die öffentliche Gesundheit und das Leben von Individuen langfristig verbessern und positive Nettonutzen für die Gesellschaft generieren könnte (Kuklinski et al., 2021). Angesichts der Komplexität und Vielschichtigkeit der Herausforderungen, mit denen Jugendliche heute konfrontiert sind, erscheint ein solcher kommunaler, partizipativer Ansatz vielversprechend. Er ermöglicht es, lokale Ressourcen zu bündeln, evidenzbasierte Prävention an spezifische Kontexte anzupassen und nachhaltige Strukturen für die Gesundheitsförderung zu schaffen.
Für die Zukunft wird es wichtig sein, weitere Forschung zur Optimierung und Anpassung des CTC-Ansatzes an verschiedene kulturelle und soziale Kontexte durchzuführen. Zudem sollten Wege gefunden werden, um die Implementation zu vereinfachen und die Kosten zu reduzieren, ohne dabei die Wirksamkeit zu beeinträchtigen. Nur so kann das volle Potenzial von Communities That Care ausgeschöpft und eine breite Implementierung erreicht werden.
Letztendlich unterstreichen die hier präsentierten Erkenntnisse die Bedeutung langfristiger, gemeinschaftlicher Anstrengungen in der Prävention. Sie zeigen, dass Investitionen in die Gesundheit und das Wohlergehen von Jugendlichen nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern für die gesamte Gesellschaft von großem Wert sind (Patton et al., 2018). Communities That Care bietet einen vielversprechenden Rahmen, um diese Investitionen effektiv und nachhaltig zu gestalten.
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