Das pädagogische Konzept der Neuen Autorität für die pädiatrische Elternberatung
Ein Gastbeitrag von Dr. med. Michael Kroll. Erstmalig erschienen in Kinder- und Jugendmedizin 20; 20: S. 393 -398, Georg Thieme Verlag KG.
inPädagogik9. August 2021
Kinderärzte können bei ihrer pädagogischen Beratung vom Konzept der „Neuen Autorität“ profitieren, das besonders für die Arbeit mit verhaltensauffälligen jugendlichen konzipiert wurde. Grundsätze wie das Bemühen der Eltern um Präsenz im Alltag ihrer Kinder, inklusive wachsamer Sorge, ohne sich dabei zu einem überschießenden Handeln hinreißen zu lassen, machen es auch für den familiären Alltag attraktiv. Gerade bei Herausforderungen sind offenes kreatives Suchen nach Unterstützung und die Vernetzung der Eltern wichtig, um sich und dem Kind mit dem „Wir-Gefühl“ Halt geben zu können. Gewaltfreier Widerstand gegen Fehlverhalten gelingt, wenn Eltern sich entlasten, nicht für alles direkt Lösungen parat haben wollen, „das Eisen schmieden, wenn es kalt ist“ und auch bereit sind, das eigene Vorgehen zu hinterfragen.
Kinderärzte sind häufig erste Ansprechpartner der Familien bei pädagogischen Herausforderungen wie bei Regulations- und Verhaltensstörungen, schädlichem Gebrauch oder Abhängigkeit von Alkohol, Tabak, Cannabis und digitalen Medien. In Zeiten besserer Impfquoten wurde in den pädiatrischen Praxen die gestiegene Prävalenz von Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten, Asthma, Adipositas sowie Diabetes unter dem Begriff der „neuen Kinderkrankheiten“ oder „neuen Morbidität“ zusammengefasst. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) beklagte, dass für die nötige pädagogische Unterstützung der Eltern keine ausreichende Zeit und Finanzierung zur Verfügung stünden. Kinderärzte müssten zusätzlich Tätigkeiten von Sozialarbeitern übernehmen. Viele Mütter aus Hartz-lV-Familien seien mit der Förderung ihrer Kinder „intellektuell überfordert“ (7). Mit Kenntnissen über das Konzept der „Neuen Autorität“ können Kinderärzte Familien sowohl für Krisensituationen und auch deren pädagogische Wertebasis stärken.
Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. [ 1] nimmt auf seiner Homepage „Erziehungsstile unter [die] Lupe“. Diese würden „so schnell wie die Mode“ wechseln. „Die Trends reichen von autoritären bis antiautoritären Ansätzen.“ Der Verband fragt, was die Vielzahl der Informationen und Publikationen für die Beratungspraxis bedeutet. „Viele Eltern sind verunsichert. Sind wir zu streng oder zu nachgiebig? Ist Schimpfen und Strafen notwendig, oder grenzt es bereits an Kindesmisshandlung? Darf man Leistung von einem Kind fordern oder nicht? [ … ] Hinzu kommt, dass viele Mütter und Väter ihre Kinder nicht so erziehen wollen, wie sie selbst erzogen worden sind, sondern alles „besser machen“ wollen.“ Der Verband empfiehlt: „Man sollte konsequent auf das Kind und seine Bedürfnisse eingehen. [ … ] Das Wichtigste, was Kinder brauchen, sind oft einfache Dinge wie Geborgenheit und Zuwendung, völlig losgelöst von jeglichem Erziehungsstil. Weder die autoritäre noch die antiautoritäre Erziehung wird den kindlichen Bedürfnissen vollauf gerecht. Als ideal gilt heute ein partnerschaftlicher, auch als demokratisch bezeichneter Stil. In der Realität liegen allerdings fast immer Mischformen der verschiedenen Erziehungsstile vor.“ [ebenda]
In der spätmodernen Gesellschaft gibt es eine Vielfalt unterschiedlicher pädagogischer Überzeugungen und von familiärem Miteinander. Die Überbetonung der Privatsphäre habe „in der westlichen Kultur allmählich zu einer allgemeinen Entfremdung geführt, eine Situation, in der [nicht wenige] Kinder und Jugendliche ohne die Präsenz und Aufsicht der Erwachsenen einsam und verletzlich zurückbleiben.“ [6, S. 17].
Verbreitet ist z.B. die Rollenkonfusion, bei der die Kinder wie Freunde behandelt werden oder sogar die Führung übernehmen (Rollenumkehr, Parentifizierung). „Eltern und Kinder binden sich zu eng und ambivalent aneinander und sind komplementär nicht ausreichend gut in die umgebende gesellschaftliche Realität eingebettet und eingebunden“ [4]. Der Erfolg der Publikationen des Kinderpsychiaters Winterhaff seit 2009 zu Kindern, die er mit „Tyrannen“ verglich [12], ist ein Hinweis, dass viele Familien pädagogisch verunsichert sind, vor allem welche Form von Grenzsetzung und welche tradierten Werte noch zeitgemäß sind.
Neben einer Vielzahl stetig neuer Publikationen zu Erziehungsfragen bietet auch die BZgA zahlreiche kostenfreie Publikationen für alle Altersstufen zu pädagogischen Themen. Hinweise dazu finden sich vereinzelt auch in den Leitlinien, wie in der S3-Leitlinie Störung des Sozialverhaltens [10]. Hier wird neben der Bemühung um eine Verbesserung der Eltern-Kind-Beziehung und der Verstärkung positiven Verhaltens konkret empfohlen, konsistent und klar mit negativen Konsequenzen auf Problemverhalten zu reagieren: „Eltern sollen instruiert werden, wie sie auf ausgeprägt oppositionell-aggressives Verhalten in einer ruhigen, nicht-aggressiven Art und Weise reagieren können, beispielsweise durch kurzzeitigen Ausschluss von positiven Bedingungen (time out), dessen Umsetzung in der Regel ausreichend Anleitung benötigt. Bei weniger schwerwiegendem störendem Verhalten kann auch Ignorieren oder der Einsatz von Verstärker-Entzugs-Plänen eine wirksame Maßnahme sein.“ Bevor man die Risiken und Nebenwirkungen einzelner solcher Maßnahmen diskutiert, ist es sinnvoll, sich die Typologie der Erziehungsstile zu vergegenwärtigen.
Auch wenn die Schwerpunkte der Pädagogik an das Temperament des Kindes und das der Elternteile, der Entwicklungsphase, der Dynamik unter den Familienmitgliedern angepasst werden, so ist doch häufig ein grundsätzlicher Erziehungsstil zu erkennen. Maßgebliche Achsen sind dabei die empathische Nähe als Fürsorge und die haltgebende Grenzsetzung als Regulation. Die bewusste Arbeit am persönlichen Erziehungsstil ist auch in professionellen Settings nicht selbstverständlich.
Der autoritative Erziehungsstil hat sich zum Beispiel an Schulen am besten bewährt. Dennoch gehört die entsprechende Aus- und Fortbildung ganz unterschiedlich geneigter Lehrer noch nicht zu den Qualitätsstandards an Schulen (z.B. über Videofeedback, Inter- und Supervision), obwohl für Lehrer die Arbeit mit verhaltensauffälligen Schülern zu den stärksten Belastungsfaktoren gehört. Bei Fortbildungen, die der Autor an Schulen anbot, beeindruckte, dass selbst professionelle Pädagogen den Unterschied zwischen „autoritär“ und „autoritativ“ teilweise nicht genau kennen. Nicht wenige schienen „autoritatives“ Handeln wegen einer möglichen Nähe zu „autoritärem“ Vorgehen abzulehnen.
Details des pädagogischen Vorgehens sollten in ihrer Wirkung nicht unterschätzt werden. Kinder spüren, ob sie in ihrer Individualität gesehen und gewürdigt werden. Dies ist die Basis der Entwicklung ihrer Identität. Nicht einfach ist auch die Frage, welche Resonanz Kinder für von Eltern als positiv erlebtes Verhalten erfahren, um dadurch deren intrinsische Motivation nicht zu beeinträchtigen.
Die herkömmliche (alte) Autorität war verbunden mit Dominanz, Kontrolle und dem Ziel der Autoritätspersonen, beim Kind kritiklosen Gehorsam zu erzielen. Das distanzierte Verhältnis zwischen Eltern und Kindern war dabei dominiert von Furcht, auch vor Misshandlung oder anderen Strafen und Ausgrenzung, bis hin zur sogenannten „schwarzen Pädagogik“, womit sämtliche sogenannte pädagogische Interventionen bezeichnet werden, die Gewalt, Erniedrigung und Einschüchterung gezielt einsetzen.
Unter „antiautoritärer Erziehung“ sammelten sich seit Ende der 1960er-Jahre uneinheitliche Gegenbewegungen, teilweise als groß angelegter reformpädagogischer Entwurf, mit dem Anspruch, durch eine Umstellung der Pädagogik, das gesamte gesellschaftliche Miteinander im großen Stil zu verbessern. Dabei sollte „antiautoritär“ nicht mit „permissiv“ verwechselt werden. Reformpädagogische Impulse, zum Beispiel wie die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern gut unterstützt werden kann, werden bis heute lebhaft diskutiert.
Heute tauchen verklärte Idealisierungen überholter Vorstellungen von (alter) Autorität vor allem auf, wenn über den Mangel an Disziplin und Respekt geklagt wird. So kann an Schulen, die meist nicht ausreichend für die vielen aktuellen Anforderungen ausgestattet sind, bei Überlastung erinnert werden, dass „früher [ … ] der Lehrer immer Recht [hatte]“ [8, S. 70). Damit wird auf das Vakuum und die Unsicherheit hingewiesen, die durch die ersatzlose Aufgabe der traditionellen Autorität häufig entstanden.
Laut Omer und von Schlippe ist „Das Ziel des »Elterncoachings« nach diesem Konzept [ … ] nicht die Kontrolle des Kindes, sondern die Wiederherstellung einer beeinträchtigten Bindung zwischen Kind und Eltern. „Die Betonung von elterlicher Selbst-Kontrolle statt Kontrolle über das Kind, von Beharrlichkeit statt unmittelbarer Vergeltung, von Transparenz und Vernetzung statt einer strengen Hierarchie und von Versöhnungsschritten statt Mechanismen von Belohnung und Bestrafung eröffnet neue Beziehungsmöglichkeiten zwischen Eltern und Kind. „Ursprünglich für Familien entwickelt, in denen sich die Eltern vor ihren Kindern fürchten und kindliche Gewalttätigkeit ein befriedigendes familiäres Leben unmöglich machte, zeigt das Konzept eine zunehmend breitere Indikation für viele Phänomene, deren gemeinsamer Nenner die elterliche Hilflosigkeit ist.“ [5, S. 246].
Im Zentrum des Konzepts der Neuen Autorität steht die Präsenz der wichtigen Bezugspersonen, als Grundvariable und klare Haltung. Uri Weinblatt hat Präsenz mit folgender Formel beschrieben: „Präsenz ist Ruhe, ist mal Nähe, mal Zeit.“ [9]. Präsenz in Form von verbindlicher-für den lnteraktionspartner spürbarer-tatsächlicher Anwesenheit ist nicht selbstverständlich im Zeitalter der Digitalisierung, der Verdichtung von Arbeitsprozessen und der vielen Optionen für die Freizeitgestaltung, das auch als „Zeitalter der konzentrierten Zerstreuung“ [11] beschrieben wird.
Wenn Bezugspersonen auf Kinder präsent wirken, können sie als „Anker“ dienen, eine Metapher, die bewusst das Bild von kompetenten Eltern als „sicherer Hafen“ des Bindungspioniers John Bowlby aufnimmt. „Eine starke Ankerfunktion beruht auf vier wichtigen Elementen, die erlern-und einübbar sind: erstens Struktur, zweitens Präsenz und wachsame Sorge, drittens Unterstützung und viertens Selbstkontrolle und Deeskalation.“ [3, S. 18]. Damit Eltern präsent sein können, benötigen sie Unterstützung, eine „Wir-Kultur“. Diese sollte kreativ und offen in der sozialen Umgebung gesucht werden. Es ist nicht selbstverständlich, pädagogische Schwierigkeiten als Normalität anzuerkennen. Viele Eltern isolieren sich, wenn sie unsicher sind und Schuldgefühle haben, weil sie sich einseitig die Verantwortung für Schwierigkeiten in der Eltern-Kind-Interaktion geben.
Der Autor lernte eine souveräne allein-erziehende Mutter kennen, die eindrücklich zeigte, wie diese „Wir-Kultur“ aussehen kann: Wenn sie mit dem aggressiven Verhalten ihres 10-jährigen Sohnes überfordert war, holte sie Unterstützung bei ihrem Nachbarn, anstatt sich unter Druck zu setzen, um nicht wegen Ruhestörung im Mietshaus kritisiert zu werden. Das „Öffentlich-machen des Konflikts mit Erhöhung der Anwesenheit anderer in möglichen Konfliktsituationen [2, S. 25] kann eine wegweisende Öffnung und Deeskalation bewirken.
Kinder spüren, wie präsent und verbindlich ihre Eltern mit ihnen in Kontakt sind. Sie benötigen immer wieder die Botschaft und Haltung ihrer Eltern: „Wir sind deine Eltern und bleiben es! Wir bleiben da, wenn es harmonisch und angenehm, aber auch, wenn es unangenehm und herausfordernd zugeht!“ [5, S. 248]. Entsprechend tiefen-psychologischer Theorie entsteht aus der fürsorglichen Präsenz in der Prägungsphase das Urvertrauen. Sicher gebundene Kinder können diese Erfahrung als „inneres Objekt“ im Alltag nutzen und bewirken mit der Erwartung weiterer positiver Erfahrungen positive Gegenseitigkeit. Sie können sich auf ihre Eltern und die damit einhergehende Zuversicht verlassen, auch in (Explorations-)Phasen, in denen die Eltern nicht anwesend sind. Kinder, die diese Geborgenheit nicht ausreichend erfahren durften, benötigen häufig später besondere pädagogische Angebote, um nachreifen zu können.
Eltern können die feinen Antennen verkennen, mit denen ihre Kinder wahrnehmen, ob sie nur physisch oder auch mental anwesend sind, wie gern sie zuhören, schauen, sich einlassen, wie offen sie sind für Schwieriges und den non-verbalen Austausch. Umfragen zeigen immer wieder, dass sich Kinder von ihren Eltern vor allem „Zeit“ wünschen, also „Präsenz“, tatsächliches Miteinander, Geborgenheit. „Eine Intervention wirkt besonders dann gut, wenn die beteiligten Erwachsenen über eine gute Präsenz verfügen, also in einer ruhigen und nicht aufgeregten Verfassung sind, beziehungsorientiert handeln können und über Zeit verfügen.“ [9].
In pädagogischen Krisensituationen geht es um Schutz (auch für Geschwisterkinder) sowie die Reduzierung und Beendigung von Eskalationen. Als „Sofortmaßnahmen“ empfehlen Lemme und Körner: ,“Entlastung durch Unterstützer, Übernahme von Aufgaben durch diese in den Situationen, die sonst zu der Eskalation geführt haben (morgendliches Wecken, Hausaufgaben, Mahlzeiten … ) sowie die vorübergehende räumliche Trennung mit Aufrechterhaltung des Kontaktes und der Klärung“ [2, S. 25], zum Beispiel bei Schulverweigerung.
Bei pädagogischen Herausforderungen bietet das Konzept Varianten von deeskalierendem Widerstand an. Dazu gehört der Verzicht auf Macht (Verzicht auf die alte Autorität) und somit die Souveränität, nicht auf alles sofort eine Antwort haben zu müssen und nur dort zu kontrollieren, wo es unverzichtbar ist. Eltern sollen nach diesem Konzept mit Überforderung offen umgehen und durchaus transparent in Konfliktsituationen gegenüber dem Kind ankündigen, dass sie sich Unterstützung holen werden. Verbreitet ist noch die Überzeugung, dem Kind keine „Blöße“ oder Schwäche zeigen zu dürfen. Dabei trägt „die Bereitschaft der Eltern, Fehler zuzugeben und zu beheben,[ … ] wesentlich zur Verbesserung der Familienatmosphäre und zur Vertiefung der Beziehung zum Kind bei. Damit festigt sich das Ansehen der Autoritätsperson als moralischer Mensch.“ [6, S. 33].
Die gezielte Verzögerung („das Eisen schmieden, wenn es kalt ist“) als Ausdruck der Souveränität, nicht direkt reagieren zu müssen ist ein starkes Mittel, das „es der Autoritätsperson [ermöglicht], sich vorzubereiten und Unterstützung einzuholen.“ [ebenda. S. 45]. Oder nach Viktor Frankl: ,,Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“
„Die größte Kraft der Veränderung ist die Beharrlichkeit. Wenn man aufgibt, an der Verbesserung der Beziehung zu den eigenen Kindern zu arbeiten, heißt das auch, die Beziehung zum Kind und zu einem Teil auch zu sich selbst aufzugeben.“ [2, S. 77]. Entgegen weit verbreiteter Praxis sollten Schwierigkeiten nicht verheimlicht, sondern wirksam transparent gemacht werden. Die Eltern suchen die (am besten vorher abgesprochene) Unterstützung von Freunden, Bekannten und anderen, die in der Situation ihr Kind eventuell besser erreichen können als sie selbst, zum Beispiel über eine dafür aufgebaute „Telefonkette“, wenn das Kind deutlich später als abgesprochen (nicht) nach Hause kommt.
Mit „Ankündigungen“ machen die Eltern ihr Vorgehen transparent. Sie stellen ihrem Kind in einer ruhigen Situation dar, wie sie sich unter welchen Umständen verhalten werden (zum Beispiel, wann sie wen anrufen werden) bzw. welche Konsequenzen wann greifen werden. Dadurch vermeiden es Eltern, sich immer wieder in Konfliktgespräche verwickeln zu lassen.
Zum Widerstand, der dem Kind helfen soll, sich wieder konstruktiver zu verhalten, gehört die Dosierung der „Dienstleistungen“ der Eltern, wie der Wäschepflege. Abweichungen von den vermeintlich selbstverständlichen Routinen sind nicht als Strafen gemeint, sondern als Anregung für ein respektvolleres Miteinander.
Wer mit Eltern arbeitet, weiß wie schwer es ist, pädagogische Ohnmacht auszuhalten, zum Beispiel wenn die Kinder sich der Kommunikation entziehen. Möglicherweise kann dem mit einem „Sitin“ („Sitzstreik“) als Ausdruck „geballter Präsenz“ entgegengewirkt werden. Dies basiert „auf den Wurzeln des gewaltlosen politischen“ Widerstands und kann gravierenden Grenzverletzungen entgegenwirken [3, S. 109]. Ziel des zum Beispiel halbstündigen Sitzstreiks im Kinderzimmer, möglichst in Anwesenheit einer dritten Person, ist, dem jugendlichen zu signalisieren, dass man von ihm Hinweise zur Besserung der Situation erwartet. In Krisensituationen, zum Beispiel wenn das Kind Drogen konsumiert, können Widerstand und wachsame Sorge durch Aufsuchen von Problemzonen wie Orten, an denen gedealt wird, ausgedrückt werden.
Abgerundet wird das Konzept der Neuen Autorität, indem Kränkungen, Verletzungen etc. durch Wiedergutmachungen nachbereitet werden. Dies sind keine Strafen, sondern Ausdruck der gegenseitigen Verbindlichkeit und der sozialen Reintegration, indem der begangene Schaden (emotional oder physisch) wieder gut gemacht wird. Dabei wird mit dem Kind gemeinsam überlegt, welche Art der Widergutmachung angebracht ist.
Zentrale Haltungen der „Neuen Autorität“:
Die wichtigen Aspekte der „Neuen Autorität“ wurden auch als „7 Säulen“ zusammengefasst:
1. Präsenz u. wachsame Sorge,
2. Selbstkontrolle und Vorbeugung gegen Eskalationen.
3. Unterstützungsnetzwerke u. Bündnisse.
4. Protest u. gewaltloser Widerstand,
5. Gesten der Wertschätzung u. Versöhnung
6. Transparenz u. partielle Öffentlichkeit und
7. Wiedergutmachungsprozesse [8].
[1] Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (14. 1O 2019). https://www.kinderaerzte-im-netz.de/altersgruppen/kleinkinder/entwicklung-erziehung/erziehungsstile-unter-der-Iupe/
[2] Lemme M, Körne, B. Neue Autorität in Haltung und Handlung. Heidel berg: Carl-Auer 2018
[3] Omer H, Streit P. Neue Autorität: Das Geheimnis starker Eltern. Vaden hoek&Ruprecht 2018
[4] Omer H, von Schlippe A. Aurorität ohne Gewalt. Vadenhoeck&Rup recht 2004. 4.Aufl. S.10
[5] Omer H, von Schlippe A. Stärke statt Macht (online frei verfügbar: abgerufen am 24.10.2019). Familiendynamik 2009; 34 {03): 246-254
[6] Omer H. von Schlippe A. Stärke statt Macht. Vadenhoeck&Ruprecht 3.Auflage
[7] Plewnia U. Die neuen Focus 20.10.2012, abgerufen am 24.10.2019
[8] Schönangerer W, Steinkellner H. Neue Autorität macht Schule. Verlag Ferdinand Berger&Söhne GmbH 2017
[9] Seefeldt C. Neue Autorität in der Schule. In: Neue Autorität. Das Handbuch. Vadenhoeck&Ruprecht 2019, S.251
[10] Stadler C. awmf.org. Von S3-Leitlinie Störung des Sozialverhaltens 2018: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/028-0201_S3_Stoerungen_des_Sozialverhaltens_2018-09_ 1.pdf, 2018. abgerufen am 19.01.2019
[11] Türcke C. Hyperaktiv!: Kritik der Aufmerksamkeitsdefizitkultur. Beck CH 2012. 2. Auflage
[12] Winterhoff M, Tergast C. Warum unsere Kinder Tyrannen werden: Oder: Die Abschaffung der Kindheit. München: Goldmann 2009