Ethik des langen Lebens
Implikationen für Prävention und Gesundheitsförderung
inEthik, Gesundheit, Prävention23. August 2024
Der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung stellen Fachkräfte in Prävention und Gesundheitsförderung vor neue Herausforderungen. Der kürzlich im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichte Artikel „Ethik des langen Lebens“ von Hans-Jörg Ehni (2024) beleuchtet ethische Aspekte der Lebensverlängerung und des Alterns, die für unser Fachgebiet hochrelevant sind. Dieser Beitrag fasst die Kernaussagen des Artikels zusammen und diskutiert deren Bedeutung für die Praxis der Gesundheitsförderung.
Ehni (2024) betont, dass der kontinuierliche Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung seit 1850 als große zivilisatorische Errungenschaft zu werten ist. Gleichzeitig stellt er fest, dass viele den demografischen Wandel und eine weitere Steigerung der Lebenserwartung skeptisch sehen. Diese Skepsis wurzelt laut Ehni in tief verankerten kulturellen Einstellungen zum Alter und zu älteren Menschen.
Der Autor identifiziert zwei zentrale Konzepte, die einer positiven Sicht auf ein langes Leben im Wege stehen:
Ehni (2024) formuliert mehrere Grundsätze für eine Ethik des langen Lebens, die in Tabelle 1 zusammengefasst sind.
Grundsatz | Beschreibung | Bedeutung |
---|---|---|
Wertschätzung fördern | Langes Leben als zivilisatorische Errungenschaft anerkennen | Bildet die Basis für ein positives gesellschaftliches Altern |
Alter wertschätzen | Als integralen und wertvollen Teil des Lebens betrachten | Fördert die Integration älterer Menschen und bekämpft Ageismus |
Aktiv gestalten | Lebensstil und Kompetenzen für ein längeres Leben entwickeln | Ermöglicht individuelle Vorbereitung und Anpassung an ein langes Leben |
Rahmenbedingungen | Gesellschaftliche und kulturelle Unterstützung für ein langes Leben schaffen | Sichert die notwendigen Strukturen für ein erfülltes langes Leben |
Forschung fördern | Biogerontologie und andere relevante Forschungsfelder unterstützen | Trägt zur Verbesserung der Lebensqualität im Alter bei |
Tabelle 1: Grundsätze einer Ethik des langen Lebens nach Ehni (2024)
Der Artikel diskutiert das Konzept der „Langlebigkeitsdividende“ nach Olshansky et al. (2006). Dieses postuliert, dass Investitionen in die biologische Alternsforschung zu einer weiteren Verbesserung der Gesundheit im Alter und einem Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung führen könnten. Ehni argumentiert, dass solche Forschung unterstützt werden sollte, um den Gewinn der ersten „Revolution der Lebensverlängerung“ zu sichern und eine zweite Revolution in Aussicht zu stellen.
Der Artikel von Ehni (2024) bietet wichtige Denkanstöße für eine ethisch reflektierte und zukunftsorientierte Praxis der Gesundheitsförderung im Kontext des demografischen Wandels. Er fordert uns auf, das lange Leben als Chance zu begreifen und aktiv zu gestalten, statt es als Problem zu sehen. Für Fachkräfte in Prävention und Gesundheitsförderung bedeutet dies, Altersbilder zu hinterfragen, lebenslauforientierte Ansätze zu stärken und Ageismus aktiv zu bekämpfen. Gleichzeitig gilt es, die Potenziale neuer Forschungserkenntnisse, etwa aus der Biogerontologie, für die Praxis nutzbar zu machen. Nur so können wir dazu beitragen, dass ein langes Leben auch ein gesundes und erfülltes Leben ist.
Ehni, H.-J. (2024). Ethik des langen Lebens. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 67, 572-577. https://doi.org/10.1007/s00103-024-03866-w
Olshansky, S. J., Perry, D., Miller, R. A., & Butler, R. N. (2006). In pursuit of the longevity dividend. The Scientist, 20, 28-36.