PROXI – Expertise fördern, Präventionsarbeit stärken

Qualifizierung und Beratung zur entwicklungsorientierten Radikalisierungsprävention in Niedersachsen

Hintergrund

Extremistische Einstellungen und Handlungen stellen demokratische Gesellschaften vor wachsende Herausforderungen. Aktuelle Studien belegen, dass antidemokratische, fremdenfeindliche und autoritäre Einstellungsmuster nicht nur in Randgruppen, sondern zunehmend auch in der Mitte der Gesellschaft verbreitet sind. Besonders besorgniserregend ist die Vulnerabilität junger Menschen für extremistische Orientierungen, die durch die verstärkte Ansprache über digitale Medien noch verschärft wird.

Die wissenschaftliche Forschung hat in den letzten Jahren wesentliche Erkenntnisse zu Radikalisierungsprozessen geliefert. Das entwicklungsorientierte Präventionsmodell identifiziert vier zentrale Faktoren, die als Hauptursachen für Radikalisierungsprozesse gelten:

  1. Dissoziale Entwicklungsprobleme: Schwierigkeiten im Umgang mit sozialen Regeln und Normen
  2. Vorurteile und Intoleranz: Negative Einstellungen gegenüber sozialen Gruppen
  3. Identitätsprobleme: Herausforderungen bei der Entwicklung eines kohärenten Selbstbildes
  4. Extremistische Narrative und Ideologien: Übernahme von Gedankensystemen, die demokratische Grundwerte ablehnen

Die darauf aufbauenden „Praxisempfehlungen zur entwicklungsorientierten Radikalisierungsprävention“ (Beelmann & Lutterbach, 2023) bieten eine wissenschaftlich fundierte Grundlage für wirksame Präventionsarbeit. Trotz dieser Erkenntnisse besteht eine signifikante Lücke zwischen Forschung und Praxis. Vielen Präventionsakteuren in Kommunen und Schulen fehlt es an Wissen über evidenzbasierte Ansätze und an praktischen Kompetenzen für deren Implementation.

Ziele

Das Projekt CTC-Bundesinitiative verfolgt das übergeordnete Ziel, CTC als wirksames Instrument zur Verbesserung der kommunalen Präventionsarbeit deutschlandweit zu etablieren. Im Einzelnen sollen folgende Ziele erreicht werden:

  • Steigerung der Bekanntheit und Akzeptanz von CTC auf Bundesebene durch Öffentlichkeitsarbeit und Fachkommunikation.
  • Aufbau einer bundesweiten CTC-Netzwerkstruktur zur Förderung des interkommunalen Austauschs und der Vernetzung von Präventionsakteuren.
  • Förderung des Wissenstransfers zu evidenzbasierter Prävention durch gezielte Schulungen und Informationsangebote.
  • Etablierung einer integrierten Kommunikationsstrategie für CTC zur zielgruppengerechten Vermittlung der Vorteile des Ansatzes.

Methoden

Das Projekt umfasst umfasst drei zentrale Ansätze:

1. Modulares Qualifizierungskonzept

  • Führungskräftemodul (2 Tage): Strategische Planung und Implementation
  • Praktikermodul (Blended Learning): Vertiefte Auseinandersetzung mit den vier Proximalfaktoren
  • Kompaktformat (4 Stunden): Kernwissen für Entscheidungsträger

2. Prozessbegleitende Unterstützung

  • Impulsseminare und Online-Impulsreihen
  • Individuelle Beratung und Supervision bei der Implementation
  • Online-Praxisgemeinschaft mit Diskussionsforen und Fallwerkstätten

3. Integration in CTC/STC

  • Erweiterung der Befragungsinstrumente um Radikalisierungsrisiken
  • Beratung bestehender CTC/STC-Kommunen und -Schulen

Fragen & Antworten

Das Angebot richtet sich an zwei Zielgruppen:

  1. Fachkräfte der Präventionsarbeit: Lehrkräfte, Schulsozialarbeiter, Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe, Mitarbeiter von Jugendämtern und kommunalen Präventionsgremien, zivilgesellschaftliche Akteure
  2. Entscheidungsträger und Führungskräfte: Bürgermeister, Dezernenten, Schulleiter, Koordinatoren von Präventionsnetzwerken

Das Angebot ist modular aufgebaut und für verschiedene Wissens- und Erfahrungsniveaus konzipiert. Für die Teilnahme sind keine spezifischen Vorkenntnisse im Bereich der Radikalisierungsprävention erforderlich. Hilfreich sind jedoch eine pädagogische, sozialarbeiterische oder psychologische Grundqualifikation sowie praktische Erfahrungen in der Präventionsarbeit.

Die Teilnahme an den Qualifizierungs- und Beratungsangeboten ist kostenfrei, da das Projekt durch das Landesprogramm für Demokratie und Menschenrechte gefördert wird.

Die Präsenzveranstaltungen werden dezentral in verschiedenen Regionen Niedersachsens durchgeführt, um möglichst kurze Anfahrtswege zu gewährleisten. Zusätzlich bieten wir digitale und hybride Formate an, die eine ortsunabhängige Teilnahme ermöglichen.

Ausblick

Bis zum Ende des Projektzeitraums (Dezember 2027) werden folgende Ergebnisse angestrebt:

  • Mindestens 100 Fachkräfte der kommunalen und schulischen Prävention in Niedersachsen haben fundiertes Wissen zu evidenzbasierten Ansätzen der Radikalisierungsprävention erworben.
  • Mindestens 50 Fachkräfte haben praktische Kompetenzen zur alters- und kontextgerechten Implementation dieser Ansätze entwickelt.
    In mindestens 8 Kommunen oder Schulen wurden evidenzbasierte Programme oder Maßnahmen zur Prävention in mindestens einem der Proximalfaktoren implementiert.
  • In mindestens 5 Kommunen oder Schulen wurden umfassende Präventionsstrategien entwickelt, die alle vier Proximalfaktoren adressieren.
  • Die Erkenntnisse der entwicklungsorientierten Radikalisierungsprävention wurden in mindestens 5 bestehende CTC/STC-Implementierungen in Niedersachsen integriert.
  • Ein Konzept zur langfristigen Verstetigung der Qualifizierungs- und Beratungsangebote wurde entwickelt und mit relevanten Entscheidungsträgern abgestimmt.

Durch diesen umfassenden Ansatz wird ein nachhaltiger Beitrag zur Stärkung der Radikalisierungsprävention und Demokratieförderung in Niedersachsen geleistet.

Literatur

  1. Beelmann, A., & Lutterbach, S. (2023). Praxisempfehlungen Demokratieförderung und Radikalisierungsprävention: Beschreibung und Bewertung von Maßnahmen der entwicklungsorientierten Prävention (1. überarbeitete Fassung). Friedrich-Schiller-Universität Jena. https://lpr.niedersachsen.de/fileadmin/user_upload/redaktion_lpr/Dateien_zur_KoStLP__Lilit_/Praxishandbuch_Demokratiefoerderung_Radikalisierungspraevention.pdf
  2. Beelmann, A., Lutterbach, S., Rickert, M., & Sterba, L. S. (2021). Entwicklungsorientierte Radikalisierungsprävention: Was man tun kann und sollte. Friedrich-Schiller-Universität Jena. https://www.komrex.uni-jena.de/komrexmedia/1620/radikalisierungspraevention.pdf
  3. European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction. (2019). European prevention curriculum: A handbook for decision-makers, opinion-makers and policy-makers in science-based prevention of substance use. Publications Office of the European Union. https://www.euda.europa.eu/system/files/media/publications/documents/11733/20192546_TDMA19001ENN_PDF.pdf
  4. Groeger-Roth, F. (2024). CTC: kommunale Gesundheitsförderung bei Kindern und Jugendlichen. Public Health Forum, 32(3), 242-244. https://doi.org/10.1515/pubhef-2024-0070
  5. Jahnke, S., Abad Borger, K., & Beelmann, A. (2022). Predictors of political violence outcomes among young people: A systematic review and meta-analysis. Political Psychology, 43(1), 111-129. https://doi.org/10.1111/pops.12743

Radikalisierungsprävention Extremismusprävention Entwicklungsorientierte Prävention Fachkräftequalifizierung Demokratieförderung Antiextremismus

Laufzeit

01.05.2025 – 31.12.2027

Kooperationspartner

Landespräventionsrat Niedersachsen

Förderer

Gefördert durch das Landesprogramm für Demokratie und Menschenrechte

FINDER e.V.

Schützenstraße 6A

10117 Berlin