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Kulturelle Adaption und Evaluation des Programms „Responsible Behavior with Younger Children“ in Deutschland
Hintergrund
Sexueller Kindesmissbrauch stellt ein drängendes Problem für die öffentliche Gesundheit dar, wobei ein beträchtlicher Anteil der Vorfälle von Personen unter 18 Jahren verübt wird. Obwohl es verschiedene Programme zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch gibt, richten sich nur wenige an Jugendliche. Das Programm „Responsible Behavior with Younger Children“ (RBYC) ist ein vielversprechender Ansatz, der speziell für Schüler der Mittelstufe entwickelt wurde und einen trauma-informierten Fokus sowohl auf Täterschaft als auch auf Viktimisierung legt.
Ziele
Das Projekt RBYC-Adapt verfolgt das übergeordnete Ziel, das RBYC-Programm an den deutschen Kontext anzupassen, zu implementieren und zu evaluieren. Im Einzelnen sollen folgende Ziele erreicht werden:
- Übersetzung und kulturelle Anpassung der RBYC-Programmmaterialien an den deutschen Sprach- und Kulturraum sowie die rechtlichen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen.
- Entwicklung eines umfassenden Trainingskonzepts für Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter zur effektiven Umsetzung des adaptierten RBYC-Programms an deutschen Schulen.
- Pilotierung des adaptierten Programms an ausgewählten Schulen, um erste Rückmeldungen zu sammeln und das Programm vor der vollständigen Implementierung zu optimieren.
- Implementierung des RBYC-Adapt-Programms im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT).
- Evaluation der Wirksamkeit des RBYC-Programms in Deutschland.
Methoden
Das Projekt gliedert sich in zwei Phasen: Zunächst erfolgt die kulturelle Adaptation des RBYC-Programms nach dem Ecological Validity Model. Dabei werden die Programmmaterialien übersetzt, an kulturelle Besonderheiten angepasst und in Workshops mit Experten und Stakeholdern weiterentwickelt. Zudem wird ein Trainingskonzept für Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter erstellt.
In der zweiten Projektphase wird das adaptierte Programm im Rahmen einer Pilotstudie an 1-2 Schulen getestet. Anschließend erfolgt die Rekrutierung von Schulen für die randomisiert-kontrollierte Evaluationsstudie. Die teilnehmenden Schulen werden zufällig der Interventions- oder Wartekontrollgruppe zugeordnet. In der Interventionsgruppe wird das RBYC-Adapt-Programm im ersten Schulhalbjahr umgesetzt, in der Kontrollgruppe im zweiten Halbjahr. Die Datenerhebung erfolgt zu drei Messzeitpunkten mittels Fragebögen, die die Schüler auf Tablets ausfüllen.
Fragen & Antworten
Wie sieht das Curriculum konkret aus?
Das Präventionsprogramm behandelt altersgerecht Themen wie Vertrauenspersonen, verantwortungsvolles Verhalten, persönliche Grenzen, Einvernehmlichkeit (Consent) und Perspektivübernahme. Die Schülerinnen und Schüler lernen in fünf interaktiven Lerneinheiten mit Erklärvideos, Diskussionen und praktischen Übungen, sexualisierte Gewalt zu erkennen, sich zu schützen und Hilfe zu holen. So werden ihre Kompetenz und Handlungssicherheit gestärkt.
Müssen alle 6. und 7. Klassen einer Schule teilnehmen?
Idealerweise sollte ein ganzer Jahrgang, also alle 6. und / oder 7. Klassen teilnehmen. Sollte dies schwer umsetzbar sein, setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung, um eine andere Lösung zu finden
In meiner Schule/Klasse gibt es Jugendliche mit speziellem Förderbedarf. Können wir trotzdem teilnehmen?
Grundsätzlich schließt das eine Teilnahme nicht aus. Um eine optimale Umsetzung abzustimmen, kontaktieren Sie uns bitte per Mail.
Gibt es Ausschlusskriterien für teilnehmende Schulen?
Das Programm richtet sich bisher nicht explizit an Förderschulen/SBBZ, daher ist eine Teilnahme im Rahmen der aktuellen Studie leider nicht möglich. Wir arbeiten aber daran, das Angebot perspektivisch zu öffnen (siehe unten „Beteiligungsmöglichkeiten“).
Gibt es eine Obergrenze bei der Teilnahme der Schulen?
In der Pilotphase ist die Teilnahme von 1-2 Schulen geplant, in der Hauptstudie von mindestens 8-10 Schulen. Wir sind bestrebt, möglichst viele interessierte Schulen teilnehmen zu lassen.
Wie viele Fachkräfte pro Schule sollten teilnehmen?
Pro Schule muss mindestens eine Fachkraft an der Weiterbildung teilnehmen. Wir empfehlen aber die Teilnahme von zwei Fachkräften, um die Umsetzung zu erleichtern.
Was lernen die Fachkräfte in der Weiterbildung?
Die Weiterbildung qualifiziert die Teilnehmenden, das Programm sicher umzusetzen. Sie erlernen die Inhalte, den trauma-informierten Umgang mit Schülerinnen und Schülern und üben die praktische Durchführung. Alle benötigten Materialien werden zur Verfügung gestellt.
Wird ein Schutzkonzept gegen sexuelle Gewalt erarbeitet?
Die Teilnahme am Programm kann als ein Baustein Ihres Schutzkonzeptes betrachtet werden, das laut KMK-Leitfaden und Initiative „Schule gegen sexuelle Gewalt“ vorgeschrieben ist. Fachkräfte sowie Schülerinnen und Schüler werden sensibilisiert und in ihrer Handlungskompetenz gestärkt.
Wann startet die Weiterbildung bei Anmeldung?
Die ersten Weiterbildungen für Lehrkräfte sind für Anfang 2025 geplant. Die Umsetzung des Programms beginnt voraussichtlich im Frühjahr 2025. Termine sind teilweise an Schulbedarfe anpassbar.
Wie kann ich mich als externe Fachkraft (z.B. Fachberatungsstelle) einbringen?
Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Expertise in der kulturellen Adaptierung des Programms einbringen, z.B. in Workshops zur Anpassung der Materialien. Auch die Bewerbung des Projekts in Ihren Netzwerken ist eine wertvolle Unterstützung. Kommen Sie gerne auf uns zu, um Möglichkeiten zu besprechen!
Gibt es Beteiligungsmöglichkeiten für Förderschulen/SBBZ?
Auch wenn eine Studienteilnahme aktuell nicht möglich ist, möchten wir das Angebot mittelfristig für alle Schulformen öffnen. Dafür planen wir einen externen Adaptierungsworkshop mit Akteuren aus dem Förderschul-/SBBZ-Bereich. Bei Interesse an einer Mitwirkung melden Sie sich bitte bei unserem Projektteam.
Ausblick
Mit RBYC-Adapt soll ein evidenzbasiertes Präventionsprogramm gegen sexuellen Kindesmissbrauch an den deutschen Kontext angepasst und seine Wirksamkeit in einer randomisiert-kontrollierten Studie überprüft werden. Bei Erfolg könnte das Programm einen wichtigen Beitrag zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch an deutschen Schulen leisten. Die kulturelle Adaptation des RBYC-Programms könnte zudem als Modell für die Übertragung des Ansatzes auf andere Länder dienen.
Literatur
- Letourneau, E. J., Schaeffer, C. M., Bradshaw, C. P., Ruzicka, A. E., Assini-Meytin, L. C., Nair, R., & Thorne, E. (2024). Responsible Behavior With Younger Children: Results From a Pilot Randomized Evaluation of a School-Based Child Sexual Abuse Perpetration Prevention Program. Child Maltreatment, 29(1), 129-141. https://doi.org/10.1177/10775595221130737
- (2021) Responsible Behavior with Younger Children: Examining the Feasibility of a Classroom-Based Program to Prevent Child Sexual Abuse Perpetration by Adolescents, Journal of Child Sexual Abuse, 30:4, 461-481, DOI: 10.1080/10538712.2021.1881858
- Bernal, G., Bonilla, J. & Bellido, C. Ecological validity and cultural sensitivity for outcome research: Issues for the cultural adaptation and development of psychosocial treatments with Hispanics. J Abnorm Child Psychol 23, 67–82 (1995). https://doi.org/10.1007/BF01447045
Laufzeit
01.03.2024 – 31.08.2026
Projektverantwortliche
Clara Charlotte Thiede, M.Sc. Psychologie