Ein Gespräch mit Daniel Schimmer, kommissarischer Schulleiter an der Goethe-Gemeinschaftsschule Kiel – über Verantwortung, Partizipation, Schulentwicklung und Gesundheitsförderung.

Schulen sollen heute vieles zugleich sein: Lernorte, Schutzräume, Chancenräume. Sie sollen Wissen vermitteln und zugleich soziale Kompetenzen stärken, individuelle Wege ermöglichen und doch Gemeinschaft fördern. Und nicht zuletzt sollen sie Rahmenbedingungen schaffen, in denen Schüler:innen gesund aufwachsen können.

Daniel Schimmer, kommissarischer Schulleiter der Goethe-Gemeinschaftsschule (GGS) in Kiel, hat dafür einen klaren Kompass. Im Gespräch erzählt er von seinem Werdegang, seinen Überzeugungen und dem Schulentwicklungsprozess Goethe 2030 – einem Weg, der Haltung, Beteiligung und nachhaltige Veränderung verbindet.

Vom Schüler zum Schulleiter: Ein unkonventioneller Weg

Daniel Schimmer bezeichnet sich selbst als „klassischen Gemeinschaftsschüler, bevor es diese Schulform überhaupt gab“. Geprägt von einer Schulzeit, in der projektorientiertes Lernen, Präsentationen und kreative Freiräume im Mittelpunkt standen, entwickelte er früh ein Gespür für alternative Bildungswege. Insbesondere eine engagierte Deutschlehrerin war prägend: „Sie hat mir gezeigt, wie anders Lernen aussehen kann – kreativ, kollaborativ und lebensnah.“

Nach dem Studium, unter anderem im Fach Wirtschaft/Politik, sammelte Schimmer Erfahrungen im Theaterbereich und arbeitete später im Kontext der Schulentwicklung am IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein). Dort begleitete er Schulen dialogorientiert und mit Fokus auf ihre Stärken – eine Erfahrung, die seinen heutigen Führungsstil entscheidend beeinflusst.

Wertegeleitete Führung: Klarheit, Dialog, Augenhöhe

Auf die Frage nach seinen Prinzipien als Schulleiter antwortet Schimmer ohne Zögern: „Wertschätzung, Chancengerechtigkeit und exzellente Leistungen – im Rahmen der individuellen Möglichkeiten.“ Hinzu kommen Klarheit im Prozess, transparente Strukturen und datengestützte Schulentwicklung. Als entscheidend sieht er auch formative Evaluation: „Wir brauchen Meilensteine, Reflexionsphasen und Feedbackschleifen – denn Schulentwicklung ist kein linearer Weg von A nach B.“

Dabei spielt für ihn die Haltung eine zentrale Rolle: „Ich sorge dafür, dass keiner stolpert – und wenn doch, bin ich da, um aufzufangen.“

Ein zentraler Begriff, den Schimmer wiederholt betont, ist der der „Verantwortungsgemeinschaft“. Schule funktioniere dann gut, wenn sich alle Beteiligten – Schüler:innen, Lehrkräfte, Eltern – als Mitgestaltende begreifen. Rückmeldungen nimmt er dankbar entgegen – auch kritische. „Bei mir sitzt niemand mit Angst in Konfliktgesprächen. Führung funktioniert nicht über Angst, sondern über Klarheit, Vertrauen und gemeinsame Ziele.“

Goethe 2030: Zukunft gestalten – in Schule und Stadtteil

Mit der Vision Goethe 2030 verfolgt die Schule das Ziel, sich bis zum Jahr 2030 so aufzustellen, dass agile, partizipative und gesundheitsförderliche Strukturen selbstverständlich gelebt werden. Dabei geht es weniger um ein starres Ziel, sondern vielmehr um die Entwicklung eines robusten Rahmens: „Wir wollen Feedback als Motor der Schulentwicklung begreifen und das System Schule widerstandsfähiger und anpassungsfähiger machen.“

Goethe 2030 setzt auf Vernetzung, Coachingformate, neue Lernsettings – und nicht zuletzt auf die aktive Einbindung der Lehrkräfte. „Lehrkräfte sind dann zufrieden, wenn ihr Einsatz Wirkung zeigt“, so Schimmer. Dafür brauche es passende Rahmenbedingungen.

Partizipation ermöglichen – mit Struktur und Haltung

Echte Beteiligung ist mehr als das Abfragen von Meinungen. Für Daniel Schimmer bedeutet Partizipation, einen Rahmen zu schaffen, in denen sich sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte wirksam erleben können – auf Augenhöhe und mit Gestaltungsspielraum. „Junge Menschen arbeiten nicht wie Erwachsene – schwierig wird es vor allem dann, wenn sie das Gefühl haben, nicht ernst genommen zu werden“, so seine Erfahrung aus der kommunalen Jugendarbeit.

An der Goethe-Gemeinschaftsschule wird Partizipation deshalb bewusst gefördert – im Unterricht, im Schulalltag und übergreifenden Entwicklungsprozessen. Ein zentrales Instrument dafür: die Methode Schools That Care (STC). Es bietet nicht nur strukturierte Workshops sowie eine umfangreiche Datenaufbereitung, sondern gibt vor allem den Lernenden eine Stimme. Ein Beispiel für die gelebte Partizipation ist die aktive Beteiligung der Schüler:innen der GGS in mehreren Workshops von STC, in denen sie ihre Perspektiven eingebracht haben.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich die Wirkung im Rahmen der Bewerbung als Zukunftsschule Schleswig-Holstein: Die Präsentation von Schools That Care durch die Schülerschaft überzeugte sofort – die Schule durfte einen Entwicklungsschritt im Zertifizierungsprozess überspringen. Für Schimmer ist klar: „Das ist der Verdienst unserer Lernenden – und der strukturierten Beteiligung, die Schools That Care ermöglicht.“

Partizipation ist damit kein Add-on, sondern integraler Bestandteil der Schulentwicklung – ein kontinuierlicher Prozess, der Haltung, Methoden und Formate vereint. „Nicht nach dem Projekt den Haken setzen“, betont Schimmer. „Sondern Prozesse so gestalten, dass Beteiligung selbstverständlich wird.“

Gesundheit im Fokus: Prävention als Teil der Schulentwicklung

Die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler ist für Daniel Schimmer kein Randthema – sie steht im Zentrum seines pädagogischen Verständnisses. Doch was bedeutet Gesundheit heute? „Früher waren Alkohol oder Nikotin die primären Gefahren – heute ist es die Überforderung durch Informationsflut und soziale Medien“, erklärt er. Vor allem der unreflektierte Konsum digitaler Inhalte, der Verlust von Struktur im Alltag und zunehmende emotionale Belastungen machen laut Schimmer jungen Menschen zu schaffen.

Die Schule müsse deshalb einen Beitrag leisten, Schüler:innen in ihrer Selbstkompetenz zu stärken – also in der Fähigkeit, mit innerer Stabilität, Selbstreflexion und Resilienz auf die Herausforderungen der Zeit zu reagieren. „Es geht darum, jungen Menschen Werkzeuge in die Hand zu geben, mit denen sie langfristig gesund aufwachsen können – auch im Sinne eines mentalen Immunsystems gegen eine immer komplexer werdende Welt.“

Ein zentraler Baustein in diesem gesundheitsförderlichen Ansatz ist die Methode Schools That Care (STC). Für Schimmer bedeutet die Zusammenarbeit mit STC nicht nur thematische Unterstützung, sondern auch spürbare Entlastung: „Wir bekommen nicht nur Struktur – wir bekommen Begleitung. STC hilft uns dabei, Bedarfe zu erkennen und Maßnahmen gezielt zu entwickeln.“

Besonders wertvoll sei dabei der rote Faden, der sich durch alle Phasen des Prozesses zieht – Vom Auftaktworkshop, über die Befragung der Schüler:innen, den Auswertungsworkshop bis hin zu den Workshops, die die Schule bei der Erarbeitung des Präventionskonzeptes begleiten. „Es ist nicht einfach nur ein Projekt. Es ist ein Prozess, der uns zeigt: Wo stehen wir? Was brauchen wir? Und wie geht es weiter?“ Diese Prozessklarheit wird auch im Schulalltag sichtbar – beispielsweise auf dem schulinternen Kanban-Board, auf dem die Goethe-Gemeinschaftsschule ihre Entwicklungsprojekte dokumentiert.

„Es ploppt immer wieder auf – in Gesprächen, Rückfragen, im Lehrerzimmer“, berichtet Schimmer. „Und das ist gut so. Denn es zeigt, dass die Menschen etwas aufgenommen haben, das sie auch weitertragen wollen.“ Für ihn ist klar: Gesundheitsförderung lässt sich nicht in einem Workshop abhaken – sie ist ein lebendiger Bestandteil der Schulentwicklung. Und Schools That Care bietet dafür die Struktur, das Wissen und die Begleitung, die es braucht, um dranzubleiben.

Drei Impulse für nachhaltige Schulentwicklung

Am Ende unseres Gesprächs formuliert Daniel Schimmer drei Tipps für andere Schulentwicklungsprozesse:

  1. Im Dialog bleiben – Kommunikation ist der Schlüssel.
  2. Probleme als Herausforderungen sehen – nicht nach Schuldigen suchen, sondern nach Lösungen.
  3. Humor bewahren – Freude und Leichtigkeit dürfen auch in ernsten Prozessen nicht fehlen

Fazit: Kleine Schritte, große Vision

Daniel Schimmer glaubt nicht an das eine große Projekt, sondern an viele kleine, wirkungsvolle Schritte – begleitet von einer klaren Vision: „Wir wollen eine richtig gute Schule sein. Und das gelingt nur gemeinsam.“ Seine Haltung – geprägt von Wertschätzung, Klarheit und echter Beteiligung – macht Mut, Schule nicht nur als Institution, sondern als lebendige Verantwortungsgemeinschaft zu denken.

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