In einer Zeit, die von globalen Herausforderungen wie der Klimakrise, zunehmender gesellschaftlicher Polarisierung und rapiden technologischen Veränderungen geprägt ist, stellt sich die Frage nach neuen Wegen zur Bewältigung dieser komplexen Probleme. Der Philosoph Thomas Metzinger entwickelt in seinem Buch „Bewusstseinskultur“ einen Ansatz, der die Kultivierung des Bewusstseins in den Mittelpunkt stellt. Dieser Artikel zielt darauf ab, die Kernideen von Metzingers Konzept zusammenzufassen, es in den Kontext aktueller neurowissenschaftlicher Forschung zu stellen und mögliche Anknüpfungspunkte für weitere Forschung und Diskussion aufzuzeigen.

Hauptelemente der Bewusstseinskultur:

Ethische Haltung gegenüber mentalen Zuständen

Metzinger argumentiert, dass wir eine ethische Haltung gegenüber unseren eigenen mentalen Zuständen entwickeln müssen. Dies bedeutet, dass wir unsere Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen nicht nur als neutrale Phänomene betrachten, sondern auch ihre ethischen Implikationen reflektieren sollten.

Er stellt folgende Fragen zur Diskussion:

  • Welche Geisteszustände fördern Mitgefühl, Klarheit und verantwortungsvolles Handeln?
  • Welche führen zu Verblendung, Egozentrismus oder Apathie?
  • Wie können wir eine ethische Verantwortung für unsere inneren Zustände übernehmen?

Metzinger argumentiert, dass diese ethische Reflexion unserer mentalen Zustände eine Grundlage für verantwortungsvolles Handeln in einer komplexen Welt bilden kann. Er betont, dass es nicht darum geht, bestimmte Gedanken oder Gefühle zu unterdrücken, sondern vielmehr darum, ein bewusstes Verhältnis zu ihnen zu entwickeln und ihre Auswirkungen auf unser Handeln und unsere Umwelt zu verstehen.

Diese Idee knüpft an philosophische Traditionen an, die die Bedeutung der Selbsterkenntnis und Selbstreflexion betonen, erweitert sie jedoch um eine explizit ethische Dimension. Metzinger argumentiert, dass in einer Zeit globaler Krisen die Fähigkeit zur ethischen Reflexion unserer inneren Zustände eine entscheidende Ressource darstellt.

Systematische Kultivierung wertvoller Bewusstseinszustände

Basierend auf dieser ethischen Reflexion schlägt Metzinger vor, gezielt jene Bewusstseinszustände zu kultivieren, die als förderlich für individuelles und kollektives Wohlergehen erkannt wurden. Er bezieht sich dabei auf:

  • Klassische kontemplative Praktiken wie Meditation
  • Den bewussten Umgang mit Technologien
  • Die bewusste Gestaltung sozialer Interaktionen

Metzinger betont, dass es wichtig ist, diese Kultivierung auf einer wissenschaftlichen Grundlage und mit kritischer Reflexion zu betreiben. Er argumentiert, dass bestimmte Bewusstseinszustände – wie tiefe Konzentration, Mitgefühl oder Zustände erweiterter Perspektive – besonders wertvoll für den Umgang mit komplexen Herausforderungen sein können.

Dabei bezieht sich Metzinger auf Erkenntnisse aus der Meditationsforschung, die positive Effekte bestimmter kontemplativer Praktiken auf Stressreduktion, emotionale Regulation und kognitive Flexibilität nahelegen. Er erweitert diesen Ansatz jedoch, indem er auch den bewussten Umgang mit modernen Technologien und die Gestaltung sozialer Interaktionen einbezieht.

Metzinger argumentiert, dass die systematische Kultivierung solcher Zustände nicht nur individuelles Wohlbefinden fördern, sondern auch kollektive Fähigkeiten zur Problemlösung und zum empathischen Miteinander stärken kann.

Rationaler, evidenzbasierter Enkulturationsprozess

Bewusstseinskultur wird von Metzinger nicht als individuelles Unterfangen, sondern als gesellschaftlicher Prozess verstanden. Er argumentiert für einen kontinuierlichen Prozess der rationalen, evidenzbasierten Enkulturation förderlicher Bewusstseinszustände und -praktiken. Dies könnte bedeuten:

  • Integration in Bildungssysteme
  • Berücksichtigung in Arbeitsumgebungen
  • Einbeziehung in Gesundheitsversorgung
  • Thematisierung in öffentlichen Diskursen

Metzinger betont, dass dieser Prozess kritisch, transparent und demokratisch gestaltet werden muss. Er warnt vor den Gefahren einer dogmatischen oder manipulativen Umsetzung und plädiert stattdessen für einen offenen, wissenschaftlich fundierten Diskurs über die Rolle des Bewusstseins in unserer Gesellschaft.

Dieser Aspekt von Metzingers Konzept ist besonders innovativ, da er die Kultivierung von Bewusstseinszuständen nicht als rein private Angelegenheit betrachtet, sondern als gesellschaftliche Aufgabe. Er argumentiert, dass angesichts globaler Herausforderungen die kollektive Fähigkeit zur bewussten Gestaltung unserer inneren Zustände eine entscheidende Ressource darstellen könnte.

Zentrale Konzepte:

Intellektuelle Redlichkeit

Ein Schlüsselkonzept in Metzingers Ansatz ist die „intellektuelle Redlichkeit“. Er definiert dies als die Bereitschaft, sich selbst gegenüber aufrichtig zu sein und eigene Überzeugungen kritisch zu hinterfragen. Metzinger argumentiert, dass dies besonders wichtig ist angesichts:

  • Verbreiteter Tendenzen zur Selbsttäuschung
  • Der Verdrängung existenzieller Bedrohungen
  • Der Herausforderungen durch Fehlinformation und Informationsüberflutung

Metzinger sieht in der intellektuellen Redlichkeit eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Bewusstseinskultur. Er argumentiert, dass ohne die Fähigkeit zur ehrlichen Selbstreflexion und kritischen Prüfung eigener Überzeugungen jede Form der Bewusstseinspraxis Gefahr läuft, in Selbsttäuschung oder Dogmatismus abzugleiten.

Dabei bezieht sich Metzinger auf philosophische Traditionen der Aufklärung, erweitert diese jedoch um Erkenntnisse der modernen Kognitionswissenschaften über die vielfältigen Formen kognitiver Verzerrungen und Selbsttäuschungsmechanismen. Er argumentiert, dass in einer komplexen, von Unsicherheit geprägten Welt die Fähigkeit zur intellektuellen Redlichkeit eine zentrale Ressource für individuelle und kollektive Resilienz darstellt.

Selbstachtung

Ein weiteres zentrales Konzept ist die „Selbstachtung“. Metzinger beschreibt dies als die Fähigkeit, die eigene Würde auch in schwierigen Situationen zu bewahren. Er argumentiert, dass:

  • Diese Fähigkeit unabhängig von äußerem Erfolg kultiviert werden kann
  • Sie eine wichtige Ressource in Zeiten zunehmender Unsicherheit darstellt

Metzinger sieht in der Selbstachtung eine Grundlage für ethisches Handeln und psychische Gesundheit. Er argumentiert, dass die Fähigkeit, den eigenen Wert unabhängig von äußeren Umständen zu erkennen und zu wahren, Menschen befähigt, auch in Krisensituationen verantwortungsvoll und mitfühlend zu handeln.

Dabei grenzt Metzinger sein Konzept der Selbstachtung klar von narzisstischen oder egozentrischen Tendenzen ab. Er betont, dass echte Selbstachtung immer auch die Achtung vor anderen und der Umwelt einschließt und auf einer realistischen Selbsteinschätzung beruht.

Säkulare Spiritualität

Metzinger entwickelt die Idee einer „säkularen Spiritualität“, die spirituelle Praxis von religiösen Dogmen entkoppelt. Zentrale Elemente sind:

  1. Die Kultivierung veränderter Bewusstseinszustände, insbesondere des „reinen Bewusstseins“ oder „Bewusstheits-Bewusstseins“
  2. Die Entwicklung von Mitgefühl und ethischer Sensibilität
  3. Die Überwindung der Ich-Zentrierung zugunsten einer erweiterten Perspektive

Metzinger argumentiert, dass diese Elemente, wissenschaftlich untersucht und in einen säkularen Kontext übertragen, wichtige Ressourcen für den Umgang mit globalen Krisen darstellen könnten.

Er betont, dass es bei der säkularen Spiritualität nicht um den Glauben an übernatürliche Entitäten oder metaphysische Spekulationen geht, sondern um die systematische Erforschung und Kultivierung bestimmter Bewusstseinszustände, die empirisch mit erhöhtem Wohlbefinden, ethischem Verhalten und kognitiver Flexibilität in Verbindung gebracht werden.

Metzinger sieht in der säkularen Spiritualität eine Möglichkeit, wertvolle Einsichten und Praktiken aus spirituellen Traditionen für eine breitere Gesellschaft zugänglich zu machen, ohne dabei wissenschaftliche und kritische Prinzipien aufzugeben.

Neurowissenschaftlicher Kontext:

Metzinger bezieht sich in seiner Argumentation auf neurowissenschaftliche Forschung, insbesondere zu:

  • Neuroplastizität und den Effekten meditativer Praktiken auf das Gehirn
  • Neuronalen Korrelaten veränderter Bewusstseinszustände
  • Auswirkungen kontemplativer Praktiken auf Stressregulation und emotionale Resilienz

Er betont jedoch, dass weitere Forschung notwendig ist, um die genauen Mechanismen und langfristigen Auswirkungen bewusstseinskultureller Praktiken zu verstehen.

Studien zur Neuroplastizität haben gezeigt, dass regelmäßige Meditation zu strukturellen und funktionellen Veränderungen in Gehirnregionen führen kann, die mit Aufmerksamkeitsregulation, emotionaler Verarbeitung und Selbstwahrnehmung assoziiert sind. Metzinger sieht darin eine empirische Unterstützung für die Idee, dass Bewusstseinszustände systematisch kultiviert werden können.

Forschungen zu den neuronalen Korrelaten veränderter Bewusstseinszustände, etwa in tiefer Meditation oder unter dem Einfluss psychedelischer Substanzen, liefern nach Metzinger wichtige Einblicke in die Natur des Bewusstseins und die Möglichkeiten seiner Modulation. Er argumentiert, dass diese Erkenntnisse genutzt werden könnten, um gezielt Bewusstseinszustände zu kultivieren, die mit erhöhtem Wohlbefinden und prosozialem Verhalten assoziiert sind.

Studien zu den Auswirkungen kontemplativer Praktiken auf Stressregulation und emotionale Resilienz liefern nach Metzinger wichtige Hinweise auf die potenziellen gesundheitlichen und gesellschaftlichen Vorteile einer Bewusstseinskultur. Er betont jedoch, dass weitere Forschung nötig ist, um die langfristigen Effekte und möglichen Risiken solcher Praktiken besser zu verstehen.

Kritische Reflexion und offene Fragen:

Metzingers Konzept wirft eine Reihe wichtiger Fragen und potenzieller Herausforderungen auf:

Ethische Bedenken: Wie kann die Förderung spezifischer Bewusstseinszustände ohne Manipulation oder Indoktrination geschehen?

Metzinger erkennt die Gefahr an, dass Techniken zur Bewusstseinsveränderung missbraucht werden könnten. Er argumentiert für strenge ethische Richtlinien und transparente, demokratische Prozesse bei der Implementierung bewusstseinskultureller Ansätze. Dennoch bleibt die Frage, wie in der Praxis eine Balance zwischen gezielter Kultivierung bestimmter Zustände und individueller Freiheit gewahrt werden kann.

Kulturelle Sensibilität: Wie kann das stark von westlichen Traditionen geprägte Konzept in diverse kulturelle Kontexte übertragen werden?

Metzinger räumt ein, dass sein Konzept stark von westlicher Philosophie und Wissenschaft beeinflusst ist. Er betont die Notwendigkeit eines interkulturellen Dialogs und der Berücksichtigung verschiedener kultureller Perspektiven bei der Entwicklung einer globalen Bewusstseinskultur. Offen bleibt, wie dieser Dialog konkret gestaltet werden kann und wie mit möglichen Wertekonflikten umgegangen wird.

Wissenschaftliche Fundierung: Wie kann die Evidenzbasis für die postulierten Effekte bewusstseinskultureller Praktiken erweitert werden?

Metzinger betont die Notwendigkeit weiterer empirischer Forschung, um die Wirksamkeit und möglichen Risiken bewusstseinskultureller Praktiken besser zu verstehen. Er schlägt interdisziplinäre Forschungsprogramme vor, die Erkenntnisse aus Neurowissenschaften, Psychologie, Philosophie und kontemplativen Traditionen integrieren. Eine Herausforderung bleibt die Entwicklung geeigneter Methoden zur Untersuchung subjektiver Erfahrungen und langfristiger Bewusstseinsveränderungen.

Verhältnis zu strukturellem Wandel: Wie verhält sich der Fokus auf individuelle Bewusstseinsveränderung zur Notwendigkeit struktureller und politischer Lösungen für globale Probleme?

Metzinger argumentiert, dass Bewusstseinskultur und struktureller Wandel sich gegenseitig bedingen und ergänzen. Er sieht in der Kultivierung bestimmter Bewusstseinszustände eine Voraussetzung für effektives kollektives Handeln. Kritiker könnten jedoch einwenden, dass der Fokus auf innere Transformation von der Notwendigkeit radikaler äußerer Veränderungen ablenkt. Die Frage, wie innerer und äußerer Wandel konkret zusammenwirken können, bedarf weiterer Untersuchung.

Praktische Umsetzung: Welche Herausforderungen ergeben sich bei der konkreten Implementierung bewusstseinskultureller Ansätze in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen?

Die Integration bewusstseinskultureller Praktiken in Bildungssysteme, Arbeitsumgebungen oder das Gesundheitswesen wirft zahlreiche praktische Fragen auf. Wie können solche Praktiken in bestehende Strukturen integriert werden? Wie können Lehrende und Fachkräfte entsprechend ausgebildet werden? Welche Ressourcen sind erforderlich? Metzinger skizziert einige Möglichkeiten, betont aber, dass die konkrete Umsetzung ein Prozess des Experimentierens und Lernens sein muss, der die Bedürfnisse und Möglichkeiten verschiedener Kontexte berücksichtigt.

Risiko der Vereinnahmung: Wie kann verhindert werden, dass das Konzept der Bewusstseinskultur für kommerzielle oder ideologische Zwecke missbraucht wird?

Metzinger warnt vor der Gefahr, dass Elemente der Bewusstseinskultur zu oberflächlichen Wellness-Trends verkommen oder von Unternehmen als Mittel zur Produktivitätssteigerung instrumentalisiert werden könnten. Er plädiert für eine kritische Auseinandersetzung mit der Kommerzialisierung von Bewusstseinspraktiken und für die Entwicklung ethischer Richtlinien für ihre Anwendung.

Zugänglichkeit und Inklusion: Wie kann sichergestellt werden, dass bewusstseinskulturelle Praktiken allen Bevölkerungsgruppen zugänglich sind und nicht zu neuen Formen der sozialen Ungleichheit führen?

Metzinger betont die Wichtigkeit, Bewusstseinskultur als inklusives Konzept zu entwickeln, das verschiedene soziale und kulturelle Hintergründe berücksichtigt. Er räumt ein, dass bestimmte kontemplative Praktiken bisher oft Privilegierten vorbehalten waren, und argumentiert für die Entwicklung niedrigschwelliger, kulturell angepasster Ansätze.

Fazit:

Metzingers Konzept der Bewusstseinskultur bietet einen innovativen philosophischen Rahmen für den Umgang mit Bewusstsein und geistiger Gesundheit im Kontext globaler Herausforderungen. Es verknüpft Erkenntnisse aus Philosophie, Neurowissenschaften und kontemplativen Traditionen zu einem Ansatz, der sowohl individuelle Entwicklung als auch gesellschaftliche Transformation in den Blick nimmt.

Die Stärke des Konzepts liegt in seiner interdisziplinären Herangehensweise und dem Versuch, traditionelle Weisheitspraktiken mit modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verbinden. Metzinger eröffnet damit neue Perspektiven auf die Rolle des Bewusstseins in unserer Gesellschaft und seine Bedeutung für die Bewältigung globaler Krisen.

Gleichzeitig wirft das Konzept zahlreiche Fragen und Herausforderungen auf, die weiterer Forschung und kritischer Diskussion bedürfen. Die praktische Umsetzung einer Bewusstseinskultur in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen stellt eine komplexe Aufgabe dar, die sorgfältige Planung und kontinuierliche Evaluation erfordert.

Besonders relevant erscheint Metzingers Ansatz im Kontext aktueller Debatten um psychische Gesundheit, Resilienz und den Umgang mit globalen Herausforderungen wie dem Klimawandel. Die Idee, dass die systematische Kultivierung bestimmter Bewusstseinszustände eine wichtige Ressource für individuelles und kollektives Wohlergehen darstellen könnte, verdient weitere Untersuchung.

Für die Praxis in Bereichen wie Gesundheitsförderung, Bildung oder Organisationsentwicklung könnte Metzingers Konzept interessante Anknüpfungspunkte bieten. Es lädt dazu ein, über die Integration bewusstseinskultureller Elemente in bestehende Ansätze nachzudenken und neue Wege zur Förderung von Achtsamkeit, ethischer Reflexion und geistiger Gesundheit zu explorieren.

Gleichzeitig ist Vorsicht geboten, vorschnelle Schlüsse zu ziehen oder das Konzept unkritisch zu übernehmen. Die von Metzinger selbst betonten ethischen Bedenken und die Notwendigkeit weiterer Forschung sollten ernst genommen werden. Jede praktische Anwendung bewusstseinskultureller Ansätze sollte von einer sorgfältigen ethischen Reflexion und wissenschaftlichen Evaluation begleitet werden.

Ausblick:

Metzingers Arbeit eröffnet wichtige Denkansätze für die Frage, wie wir als Individuen und Gesellschaft besser mit den komplexen Herausforderungen unserer Zeit umgehen können. Sie lädt zu einem vertieften Nachdenken über die Rolle des Bewusstseins in unserer Kultur ein und regt dazu an, die Potenziale einer systematischen Bewusstseinsentwicklung weiter zu erforschen.

Zukünftige Forschung könnte sich darauf konzentrieren:

  • Die theoretischen Grundlagen der Bewusstseinskultur weiter zu elaborieren und kritisch zu diskutieren.
  • Die empirische Basis zu den Effekten bewusstseinskultureller Praktiken zu erweitern, insbesondere durch Langzeitstudien und die Untersuchung möglicher Risiken.
  • Konkrete Modelle für die Integration bewusstseinskultureller Ansätze in verschiedene gesellschaftliche Bereiche zu entwickeln und zu evaluieren.
  • Die ethischen Implikationen einer Bewusstseinskultur tiefergehend zu analysieren und Richtlinien für eine verantwortungsvolle Implementierung zu erarbeiten.
  • Den Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen und kulturellen Perspektiven zum Thema Bewusstseinskultur zu fördern und zu vertiefen.
  • Die Wechselwirkungen zwischen individuellen Bewusstseinszuständen und kollektiven sozialen Dynamiken genauer zu untersuchen.
  • Die Rolle von Technologie in der Entwicklung einer Bewusstseinskultur kritisch zu reflektieren und ethische Richtlinien für den Einsatz bewusstseinsverändernder Technologien zu entwickeln.
  • Die möglichen Auswirkungen einer Bewusstseinskultur auf politische Entscheidungsprozesse, ökonomische Systeme und globale Governance-Strukturen zu explorieren.
  • Pädagogische Konzepte zu entwickeln, die bewusstseinskulturelle Elemente altersgerecht und kulturell sensibel vermitteln können.
  • Die Potenziale und Grenzen bewusstseinskultureller Ansätze für die Bewältigung spezifischer globaler Herausforderungen (z.B. Klimawandel, soziale Ungleichheit) systematisch zu untersuchen.

Herausforderungen und Chancen:

Die Entwicklung und Implementierung einer Bewusstseinskultur im Sinne Metzingers stellt die Gesellschaft vor erhebliche Herausforderungen:

  • Komplexität: Die Integration bewusstseinskultureller Ansätze in bestehende Systeme und Strukturen erfordert ein tiefgreifendes Verständnis komplexer Zusammenhänge und die Fähigkeit, interdisziplinär zu denken und zu handeln.
  • Kulturelle Diversität: Die Herausforderung, ein Konzept von Bewusstseinskultur zu entwickeln, das verschiedene kulturelle Perspektiven respektiert und integriert, ohne in Relativismus oder Oberflächlichkeit zu verfallen.
  • Ethische Dilemmata: Die Notwendigkeit, kontinuierlich ethische Fragen zu reflektieren und Richtlinien zu entwickeln, die den verantwortungsvollen Umgang mit Bewusstseinspraktiken und -technologien sicherstellen.
  • Wissenschaftliche Herausforderungen: Die Entwicklung geeigneter Forschungsmethoden zur Untersuchung subjektiver Erfahrungen und langfristiger Bewusstseinsveränderungen.
  • Institutionelle Trägheit: Die Überwindung von Widerständen und die Anpassung bestehender Strukturen an neue Ansätze der Bewusstseinskultur.
  • Technologische Risiken: Die Notwendigkeit, die Chancen neuer Technologien für die Bewusstseinskultur zu nutzen, ohne dabei in technologischen Determinismus oder unreflektierte Technikgläubigkeit zu verfallen.

Trotz dieser Herausforderungen bietet das Konzept der Bewusstseinskultur auch bedeutende Chancen:

  • Ganzheitlicher Ansatz: Die Möglichkeit, individuelle Entwicklung und gesellschaftliche Transformation in einem integrativen Rahmen zu denken und zu gestalten.
  • Neue Ressourcen: Die Erschließung bisher vernachlässigter innerer Ressourcen für den Umgang mit globalen Herausforderungen.
  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Förderung eines fruchtbaren Dialogs zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, kontemplativen Traditionen und gesellschaftlichen Akteuren.
  • Innovative Lösungsansätze: Die Entwicklung neuer Perspektiven und Handlungsoptionen für drängende gesellschaftliche Probleme.
  • Ethische Reflexion: Die Chance, eine vertiefte gesellschaftliche Diskussion über Werte, Ethik und die Rolle des Bewusstseins in unserer Kultur anzustoßen.
  • Bildungsinnovation: Die Möglichkeit, Bildungssysteme zu entwickeln, die neben kognitiven Fähigkeiten auch Bewusstseinskompetenzen und ethische Reflexion fördern.
  • Gesundheitsförderung: Neue Ansätze für Prävention und Gesundheitsförderung, die das Potenzial bewusster Selbstregulation nutzen.

Schlussbetrachtung:

Metzingers Konzept der Bewusstseinskultur stellt einen ambitionierten Versuch dar, die Rolle des Bewusstseins in unserer Gesellschaft neu zu denken und seine Potenziale für die Bewältigung globaler Herausforderungen zu erschließen. Es verbindet philosophische Tiefe mit wissenschaftlicher Rigorosität und praktischer Relevanz.

Die weitere Entwicklung und mögliche Implementierung dieses Konzepts wird einen langfristigen, interdisziplinären Prozess erfordern, der kontinuierliche Forschung, kritische Reflexion und gesellschaftlichen Dialog umfasst. Dabei wird es entscheidend sein, eine Balance zu finden zwischen visionärem Denken und pragmatischer Umsetzung, zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung, zwischen wissenschaftlicher Objektivität und subjektiver Erfahrung.

Metzingers Arbeit leistet einen wichtigen Beitrag zur Diskussion darüber, wie wir als Gesellschaft mit den komplexen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts umgehen können. Sie lädt dazu ein, die transformative Kraft des Bewusstseins ernst zu nehmen und gleichzeitig kritisch zu hinterfragen. In diesem Sinne kann das Konzept der Bewusstseinskultur als Inspiration und Herausforderung zugleich verstanden werden – als Aufforderung, unser Verständnis von Bewusstsein, Kultur und gesellschaftlicher Entwicklung weiterzudenken und neue Wege des kollektiven Lernens und Handelns zu explorieren.

Letztlich geht es bei der Idee einer Bewusstseinskultur um nicht weniger als die Frage, wie wir als Menschen und als Gesellschaft in einer zunehmend komplexen und krisenanfälligen Welt nicht nur überleben, sondern auf ethisch reflektierte und menschlich erfüllende Weise leben und uns weiterentwickeln können. In diesem Sinne verdient Metzingers Ansatz trotz aller offenen Fragen und Herausforderungen eine ernsthafte und anhaltende Auseinandersetzung in Wissenschaft, Politik und Gesellschaft.