Strategien zur Verbesserung der Implementierung von universellen Programmen zur psychischen Gesundheitsförderung in Schulen
inBildung, Forschung, Gesundheit, Prävention18. November 2022
Die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist ein zunehmend wichtiges Thema in der öffentlichen Gesundheitsförderung. Etwa 50% aller psychischen Erkrankungen beginnen vor dem 14. Lebensjahr (Kessler et al., 2007, zitiert nach Baffsky et al., 2023). Frühzeitige Interventionen können daher einen entscheidenden Beitrag zur Prävention leisten. Schulen gelten als besonders geeignetes Setting für universelle Präventionsprogramme, da sie einen großen Teil der Zielgruppe erreichen können (Fazel et al., 2014, zitiert nach Baffsky et al., 2023).
Allerdings zeigt sich in der Praxis häufig eine Diskrepanz zwischen der nachgewiesenen Wirksamkeit von Präventionsprogrammen unter kontrollierten Studienbedingungen und ihrer tatsächlichen Umsetzung und Wirkung im Schulalltag. Um diese Lücke zu schließen, ist es wichtig zu verstehen, welche Strategien die erfolgreiche Implementierung solcher Programme in Schulen unterstützen können.
Der vorliegende systematische Review von Baffsky et al. (2023) widmet sich genau dieser Fragestellung. Die Autoren haben die vorhandene Evidenz zu Implementierungsstrategien für universelle Programme zur Förderung der psychischen Gesundheit in Schulen systematisch aufgearbeitet. Der Review liefert wichtige Erkenntnisse für Fachkräfte in Prävention und Gesundheitsförderung, die solche Programme in Schulen einführen und umsetzen möchten.
Die Autoren führten eine systematische Literaturrecherche in vier relevanten Datenbanken (PubMed, ERIC, APA PsycInfo und CINAHL) durch. Eingeschlossen wurden englischsprachige, empirische Studien, die zwischen 2000 und 2021 veröffentlicht wurden und Implementierungsstrategien für universelle Präventionsprogramme zur psychischen Gesundheit in Grund- und weiterführenden Schulen untersuchten.
Insgesamt wurden 21 Studien in den Review eingeschlossen, davon 19 aus den USA. Sieben Studien befassten sich mit dem PAX Good Behavior Game, sieben mit School-wide Positive Behavioral Interventions and Supports (SW-PBIS) und die restlichen mit anderen evidenzbasierten Programmen. Die eingeschlossenen Studien verwendeten verschiedene Studiendesigns: randomisierte kontrollierte Studien, quasi-experimentelle Designs sowie qualitative und Mixed-Methods-Ansätze.
Zur Bewertung der Studienqualität nutzten die Autoren das Mixed Methods Appraisal Tool (MMAT). Die Mehrzahl der Studien (67%) wurde als qualitativ hochwertig eingestuft, was die Aussagekraft der Ergebnisse stärkt.
Der Review identifizierte 22 Implementierungsstrategien, die sich als wirksam für die Verbesserung der Programmtreue (Fidelity) oder der Programmeinführung (Adoption) erwiesen. Die vielversprechendsten Strategien waren:
Diese Strategien zeigten konsistent positive Effekte, wenn sie in Kombination mit anderen Strategien eingesetzt wurden.
Diese Strategie erwies sich als besonders effektiv. In vier von fünf Studien, die diese Strategie untersuchten, zeigte sich ein positiver Effekt auf die Programmtreue oder -einführung. Monitoring und Feedback umfasst die systematische Beobachtung der Programmumsetzung und die Rückmeldung an die durchführenden Lehrkräfte. Fallon et al. (2018, zitiert nach Baffsky et al., 2023) fanden beispielsweise, dass regelmäßiges Feedback per E-Mail die Programmtreue signifikant verbesserte.
Alle drei qualitativen Studien, die diese Strategie untersuchten, berichteten positive Effekte auf die Programmeinführung. Die Autoren vermuten, dass Schulleitungen die Programmeinführung unterstützen, indem sie das Programm fördern, Ressourcen zuweisen und die Umsetzung planen (Freeman et al., 2014; Lohrmann et al., 2008, beide zitiert nach Baffsky et al., 2023).
Auch diese Strategie zeigte in allen drei untersuchten qualitativen Studien positive Effekte. Eine verbesserte Akzeptanz bei Lehrkräften scheint sowohl die Programmtreue als auch die Einführung zu fördern. Dies unterstreicht die Bedeutung, Lehrkräfte von Anfang an einzubinden und von dem Programm zu überzeugen.
Beide qualitativen Studien, die diese Strategie untersuchten, fanden positive Zusammenhänge mit der Programmeinführung. Regelmäßige Teambesprechungen scheinen eine wichtige Plattform für Austausch, Problemlösung und gegenseitige Unterstützung bei der Programmumsetzung zu bieten.
Entgegen den Erwartungen zeigte sich für kontinuierliches Training und Coaching ein gemischtes Bild. Nur 64% bzw. 57% der Studien, die diese Strategien untersuchten, fanden positive Effekte auf die Programmtreue. Dies widerspricht teilweise früheren Erkenntnissen, die Training und Coaching als Kernstrategien für eine erfolgreiche Implementierung identifiziert hatten (Fixsen et al., 2005; Smith et al., 2018, beide zitiert nach Baffsky et al., 2023).
Die Autoren vermuten, dass Training und Coaching möglicherweise eher die anfängliche Programmeinführung als die langfristige Programmtreue fördern. Zudem könnte die Wirksamkeit dieser Strategien stark vom spezifischen Kontext und der Qualität der Durchführung abhängen.
Der Review zeigte, dass sich die meisten Studien (76%) auf die Programmtreue als Implementierungsergebnis konzentrierten. Nur 24% der Studien untersuchten die Programmeinführung. Andere wichtige Implementierungsergebnisse wie Nachhaltigkeit, Akzeptanz oder Kosteneffizienz wurden gar nicht betrachtet. Dies weist auf eine Forschungslücke hin, die in zukünftigen Studien adressiert werden sollte.
Abbildung 1: Übersicht der effektiven Implementierungsstrategien und ihrer Wirkungen auf Programmtreue und -einführung (eigene Darstellung basierend auf Baffsky et al., 2023)
Um die Ergebnisse des Reviews besser einordnen zu können, ist es hilfreich, einen Blick auf relevante Implementierungstheorien zu werfen. Eine der einflussreichsten Theorien in diesem Bereich ist das Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR) von Damschroder et al. (2009, zitiert nach Baffsky et al., 2023).
Das CFIR identifiziert fünf Hauptdomänen, die den Erfolg einer Implementierung beeinflussen:
Die im Review identifizierten wirksamen Implementierungsstrategien lassen sich diesen Domänen zuordnen:
Diese Zuordnung verdeutlicht, dass erfolgreiche Implementierung multidimensional ist und verschiedene Ebenen berücksichtigen muss.
Ein weiteres relevantes Modell ist das Exploration, Preparation, Implementation, Sustainment (EPIS) Framework von Aarons et al. (2011, zitiert nach Baffsky et al., 2023). Dieses Modell betont die Bedeutung verschiedener Phasen im Implementierungsprozess:
Die im Review identifizierten Strategien sind besonders relevant für die Phasen der Preparation und Implementation. Für eine nachhaltige Wirkung müssen jedoch auch Strategien für die Sustainment-Phase entwickelt und untersucht werden.
Aus den Ergebnissen des Reviews lassen sich wichtige Handlungsempfehlungen für Fachkräfte in Prävention und Gesundheitsförderung ableiten:
Der vorliegende Review weist einige wichtige Stärken auf:
Gleichzeitig müssen bei der Interpretation der Ergebnisse einige Limitationen berücksichtigt werden:
Der systematische Review von Baffsky et al. (2023) liefert wichtige Erkenntnisse zu wirksamen Strategien für die Implementierung universeller Programme zur psychischen Gesundheitsförderung in Schulen. Die identifizierten Kernstrategien – Monitoring und Feedback, Einbindung der Schulleitung, Förderung der Akzeptanz bei Lehrkräften und regelmäßige Teambesprechungen – bieten Fachkräften in Prävention und Gesundheitsförderung konkrete Ansatzpunkte zur Verbesserung der Programmumsetzung.
Gleichzeitig zeigt der Review auch wichtige Forschungslücken auf. Insbesondere sind weitere Studien notwendig, um:
Für Fachkräfte in der Praxis unterstreichen die Ergebnisse die Bedeutung einer systematischen und evidenzbasierten Herangehensweise bei der Implementierung von Präventionsprogrammen in Schulen. Durch den gezielten Einsatz wirksamer Implementierungsstrategien kann die Kluft zwischen der nachgewiesenen Wirksamkeit von Programmen und ihrer tatsächlichen Wirkung in der Praxis verringert werden. Dies trägt letztlich dazu bei, die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen nachhaltig zu fördern.
Aarons, G. A., Hurlburt, M., & Horwitz, S. M. (2011). Advancing a conceptual model of evidence-based practice implementation in public service sectors. Administration and Policy in Mental Health and Mental Health Services Research, 38(1), 4-23. https://doi.org/10.1007/s10488-010-0327-7
Baffsky, R., Ivers, R., Cullen, P., Wang, J., McGillivray, L., & Torok, M. (2023). Strategies for Enhancing the Implementation of Universal Mental Health Prevention Programs in Schools: A Systematic Review. Prevention Science, 24, 337-352. https://doi.org/10.1007/s11121-022-01434-9
Damschroder, L. J., Aron, D. C., Keith, R. E., Kirsh, S. R., Alexander, J. A., & Lowery, J. C. (2009). Fostering implementation of health services research findings into practice: a consolidated framework for advancing implementation science. Implementation Science, 4, Article 50. https://doi.org/10.1186/1748-5908-4-50
Fallon, L. M., Collier-Meek, M. A., Kurtz, K. D., & DeFouw, E. R. (2018). Emailed implementation supports to promote treatment integrity: Comparing the effectiveness and acceptability of prompts and performance feedback. Journal of School Psychology, 68, 113-128. https://doi.org/10.1016/j.jsp.2018.03.001
Fazel, M., Hoagwood, K., Stephan, S., & Ford, T. (2014). Mental health interventions in schools in high-income countries. The Lancet Psychiatry, 1(5), 377-387. https://doi.org/10.1016/S2215-0366(14)70312-8
Fixsen, D. L., Naoom, S. F., Blase, K. A., Friedman, R. M., & Wallace, F. (2005). Implementation research: A synthesis of the literature. Tampa, FL: University of South Florida, Louis de la Parte Florida Mental Health Institute, The National Implementation Research Network.
Freeman, E., Wertheim, E. H., & Trinder, M. (2014). Teacher perspectives on factors facilitating implementation of whole school approaches for resolving conflict. British Educational Research Journal, 40(5), 847-868. https://doi.org/10.1002/berj.3116
Kessler, R. C., Amminger, G. P., Aguilar-Gaxiola, S., Alonso, J., Lee, S., & Ustun, T. B. (2007). Age of onset of mental disorders: A review of recent literature. Current Opinion in Psychiatry, 20(4), 359-364. https://doi.org/10.1097/YCO.0b013e32816ebc8c
Lohrmann, S., Forman, S., Martin, S., & Palmieri, M. (2008). Understanding school personnel’s resistance to adopting schoolwide positive behavior support at a universal level of intervention. Journal of Positive Behavior Interventions, 10(4), 256-269. https://doi.org/10.1177/1098300708318963
Smith, E. P., Osgood, D. W., Oh, Y., & Caldwell, L. C. (2018). Promoting afterschool quality and positive youth development: Cluster randomized trial of the PAX Good Behavior Game. Prevention Science, 19(2), 159-173. https://doi.org/10.1007/s11121-017-0820-2