Was tun bevor’s brennt?

Umsetzung wirksamer Suchtprävention an Schulen

Benjamin Löhner im Interview mit Kerstin List, einer Lehrerin aus Nürnberg.

Benjamin Löhner

Schulen sind nicht nur Institutionen der Wissensvermittlung, sondern auch Übungsfelder des sozialen Lernens. Das Setting bietet die Möglichkeit, bei Heranwachsenden ein Bewusstsein für Gesundheitsfragen zu erzeugen und die Bereitschaft für eine verantwortliche Einstellung zur eigenen Gesundheit zur fördern.

Aus diesem Grund ist ein Hauptziel der suchtpräventiven Aktivitäten von mudra, Schulen bei der Implementierung und Umsetzung wirksamer Präventionsansätze zu unterstützen. Seit 2017 schult unser Verein deshalb in Zusammenarbeit mit der Finder Akademie Berlin Lehrkräfte und Jugensozialarbeiter*innen an Schulen im Life-Skills und Suchtpräventionsprogramm REBOUND. Das wissenschaftlich fundierte Programm unterstützt junge Menschen (14–25 Jahre) beim Ausbau von Stärken und Risikokompetenzen. Im Zentrum steht die Arbeit mit realitätsnahen Kurzfilmen. Darüber hinaus hält REBOUND einen reichen Schatz an Methoden bereit, um mit Schülerinnen und Schülern über ihre Stärken und Ziele, aber auch über das Thema Alkohol und andere Drogen ins Gespräch zu kommen.

Seit 2017 setzen einige Nürnberger Schulen das Programm erfolgreich um. Kerstin List vom Jenaplan-Gymnasium berichtete uns über ihre Erfahrungen.

Benjamin Löhner: Hallo Kerstin, vielen Dank für deine Bereitschaft für ein Interview. Willst Du dich kurz den Leserinnen und Lesern vorstellen?

Kerstin List: Hallo Benni, mein Name ist Kerstin List. Ich bin Gymnasiallehrerin für die Fächer Geographie, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaft und Recht. Seit 4 Jahren arbeite ich am Jenaplan-Gymnasium in Nürnberg.

BL: Du führst mittlerweile seit zwei Jahren das Life-Skills- und Suchtpräventionsprogramm REBOUND an eurer Schule durch. Wie bist Du auf das Programm aufmerksam geworden und was hat dich an REBOUND überzeugt?

KL: Auf das Programm REBOUND bin ich durch dich gekommen, weil ich an der Fortbildung „Was tun wenn‘s brennt?“ der mudra teilgenommen habe. Dort wurde uns am Rande auch das Programm REBOUND vorgestellt. Ich war sofort begeistert und dann hast du mir davon berichtet, dass es eine Fortbildung für Kursleiter in Nürnberg gibt. Daran habe ich mit meiner Kollegin (Sozialpädagogin) teilgenommen und dann haben wir es sofort an der Schule durchgeführt.

Überzeugt hat mich an REBOUND, dass es kein typisches Suchtpräventionsprogramm ist, welches den Schüler*innen  sagt, wie schlecht Drogen für sie sind, sondern es darum geht die Stärken der Schüler*innen herauszuarbeiten und ihnen zu verdeutlichen. Außerdem sollen die Jugendlichen dazu ermutigt werden, ihre individuell besten Entscheidungen selbstständig zu treffen. Natürlich ist es auch wichtig, dass Informationseinheiten über psychoaktive Substanzen oder je nach Wahl auch anderen Suchterkrankungen Raum gewährt wird, dies aber individuell, je nach den Interessen der Schüler*innen gewählt werden kann.

BL: REBOUND ist ja ein relativ umfassendes Programm mit insgesamt 12 Einheiten à 90 Minuten. In welcher Form habt ihr das Programm in eure schulischen Abläufe integriert?

KL: Wir sind eine gebundene Ganztagsschule und bieten den gesamten Kurs tatsächlich in einer Projektwoche an.

BL: Den größten Teil des REBOUND Kurses führt ihr als Lehrerinnen selbstständig durch. Manche Lehrkräfte haben Sorgen, zu schwierigen Themen wie dem Konsum von Alkohol und anderen Drogen mit ihrer Klasse zu arbeiten. Wie sind deine Erfahrungen diesbezüglich? Was klappt gut und wo liegen die Herausforderungen?

KL: Meine Erfahrungen diesbezüglich sind durchwegs positiv. Meine Schüler*innen gehen offen mit diesen Themen um und durch die, zu Kursbeginn, gemeinsam unterschriebene Respektvereinbarung, hatte ich bisher keine Probleme im Schulalltag. Die Einblicke lassen mich auch als Suchtpräventionsbeauftragte der Schule besser agieren. Durch die gewonnenen Erkenntnisse kann ich weiterarbeiten, das Profil unserer Schule erweitern und Prozesse, wie z.B. die Erstellung und Etablierung einer Suchtmittelvereinbarung voranbringen.

Wichtig ist aber auf jeden Fall, dass man gut informiert und vorbereitet in die entsprechenden Stunden geht und auch offen für viele verschiedene Fragen und Informationen seitens der Schüler*innen ist. Wichtig dabei ist das Vertrauen der Jugendlichen zu gewinnen und nicht zu missbrauchen und sich ebenso an die Respektvereinbarung zu halten. Dazu gehört es auch ein klares Rollenverständnis von sich selbst zu haben und im Kurs ausschließlich als Kursleiter zu agieren.

BL: REBOUND ist ein stärkenorientiertes Programm. In welcher Form arbeitet ihr in diesem Rahmen mit den jungen Menschen an ihren eigenen Ressourcen und Zielen?

KL: Meiner Meinung nach beinhalten die einzelnen Programmbausteine große Möglichkeiten um mit den Schüler*innen an den eigenen Ressourcen und Zielen zu arbeiten. So können sie durch Fremd- und Selbsteinschätzung ihre eigenen Begabungen kennenlernen. In einer anderen Einheit sollen sie ihr eigenes Mentorennetzwerk beschreiben und dadurch die Personen, welche sie auf ihrem Lebensweg bisher begleiten benennen können. Auch wird durch interaktive Übungen, so genannte Experimente, das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gruppe gestärkt und auch ihre Kommunikationsfähigkeiten geschult. In der Mentorenstunde konnten sich die Schüler*innen, im Gespräch mit verschiedenen Personen Gedanken über ihre eigenen Ziele machen und diese in Kleingruppen reflektieren. Aber auch im Kursprojekt bringen alle Jugendliche ihr persönlichen Ressourcen mit ein und reflektieren sinnvoll die vorherigen Einheiten.

BL: Mit jedem Kurs besucht ihr in Nürnberg auch soziale Einrichtungen. Wo wart ihr bisher und wie kommen die Exkursionen bei den Schülerinnen und Schülern an?

KL: Wir waren mit unseren Schülerinnen im letzten Jahr bei lilith und in diesem und letzten Jahr bei euch in der mudra. Die Exkursionen kommen bei unseren Schüler*innen sehr gut an, denn sie stellen eine große Abwechslung zum „normalen“ REBOUND-Kurs dar. Die Jugendlichen sind besonders an dem Erfahrungsbericht der Mitarbeiter der jeweiligen Organisation interessiert.

BL: Im Rahmen von REBOUND werden die Schülerinnen und Schüler auch selbst kreativ. Welche Produkte sind denn in den letzten Jahren entstanden?

KL: Natürlich haben die meisten Schüler*innen Lust darauf eigene Filme zu drehen und zu schneiden, also hauptsächlich selbstgedrehte Videos. Allerdings haben die Jugendlichen auch Geschichten geschrieben (im Stil der Mentorentexte), Interviews mit Konsumenten geführt, Foto-Storys erstellt und Comics gezeichnet.

BL: Welche Tipps würdest Du anderen Lehrkräften geben, die REBOUND an ihrer Schule umsetzen möchten. Was hilft bei der Implementierung und wo liegen die Stolpersteine?

KL: Als Lehrkraft brauchst du auf alle Fälle die Unterstützung der Schulleitung, denn ja nach Art der Durchführung werden auch verschiedene Zeitfenster benötigt. Bei der Implementierung hilft auf alle Fälle, wenn man nicht der einzige ausgebildete REBOUND-Kursleiter an der Schule ist, denn dann kann der Kurs auch stattfinden, wenn einer ausfällt und man hat mehr Stimmgewicht. Wichtig ist meiner Meinung nach auch, dass die Kollegen*innen gut über den Sinn und Zweck des Programms informiert sind, dadurch erfährt man eine große Unterstützung.

Stolpersteine sind meiner Meinung nach, wenn die eben aufgeführten Punkte nicht gegeben sind, denn dann ist eine Umsetzung sehr schwer möglich.

BL: Vielen Dank für das Gespräch und für deine Zeit !